Sachsen – kein Musterland sozialer Sicherheit
Armut in Sachsen
- In Sachsen sind je nach Region zwischen 15 und 19 % der Menschen von Armut bedroht
- Bei Kindern ist die Quote sogar noch höher: Mehr als jedes fünfte Kind (22.5 %) ist in Sachsen von Armut bedroht
- Etwa 130.000 Menschen in Sachsen sind »Arm trotz Arbeit«
Der Anteil von Armut betroffener Menschen hat in Sachsen zugenommen und wächst weiter. Im Freistaat liegt die Armutsquote bei einem Fünftel der Gesamtbevölkerung und damit beträchtlich über dem Bundesdurchschnitt. Hauptursache für wachsende Verarmung ist die verfehlte Sozialpolitik in Bund und Land in den letzten Jahrzehnten. Mehr als ein Viertel der sächsischen Kinder sind von Armut betroffen, was deren Lebensperspektive von vornherein belastet und die Gefahr der Reproduktion von Armut und sozialer Ausgrenzung verschärft. Das gilt vor allem für Alleinerziehende, deren Armutsquote in Sachsen bei über 40 Prozent liegt. Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten, Studentinnen und Studenten sind durch die derzeitige Finanzierungs- und Förderungspolitik in hohem Maße armutsgefährdet. Angesichts unterbrochener Erwerbsbiografien, niedriger Löhne und der Absenkung des Rentenniveaus wird auch Altersarmut alsbald zur Massenerscheinung werden.
Der Freistaat wälzt die Verantwortung für soziale Daseinsvorsorge auf die Kommunen ab und verschärft so deren finanzielle Notlage. Immer mehr Landesaufgaben werden auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen. Der überörtliche Sozialhilfeträger, in den meisten Bundesländern eine Landesbehörde, fungiert in Sachsen als kommunaler Sozialverband und wird überwiegend durch Zwangsumlage von den Landkreisen und kreisfreien Städten finanziert. Dies führt letztlich zu erheblichen Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung, denn die zusätzlichen Aufgaben – bei denen es sich um gesetzliche Pflichtaufgaben handelt – sind meist nicht mit den notwendigen finanziellen Ausgleichszahlungen an die Kommunen verbunden. Während der Landeshaushalt dadurch erheblich entlastet wird und sich Sachsen so als das Bundesland mit besonders niedrigen Schulden feiert, nimmt die finanzielle Schieflage der kommunalen Haushalte ein immer bedrohlicheres Ausmaß an. So hat Sachsen unter den neuen Bundesländern den mit Abstand niedrigsten Anteil von Sozialausgaben am Landeshaushalt. Deshalb sind die Kommunen immer weniger in der Lage, selbstbestimmt sozialpolitisch zu agieren. Sie haben immer weniger Möglichkeiten, so genannte freiwillige soziale Leistungen zu gewähren.
Sachsen hat sich zum Musterland der Privatisierung sozialer Daseinsvorsorge entwickelt. Soziale Daseinsvorsorge, eigentlich eine Verantwortung der öffentlichen Hand, wird gerade in Sachsen immer mehr privatisiert und damit den Spielregeln des Marktes unterworfen. In nur zwei Jahrzehnten hat Sachsen hinsichtlich des Anteils privater Träger alle alten Bundesländer überholt und nimmt diesbezüglich eine Spitzenstellung ein. Das betrifft Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen sowie den Bereich der stationären und ambulanten Betreuung von Älteren und Menschen mit Beeinträchtigungen. Beim Anteil von Privatschulen nimmt Sachsen inzwischen mit weitem Abstand den Spitzenplatz in Deutschland ein. Selbst anerkannte Wohlfahrtsverbände haben gegenüber Privaten an Einfluss verloren. Die sächsische Staatsregierung hat diesen Privatisierungsprozess nicht nur dem Selbstlauf überlassen, sondern noch beschleunigt und finanziell gefördert.