Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: animal public e.V.
1. zu Verbandsklagerecht, Landestierschutzbeauftragter, Tierschutz als Bildungsinhalt
Ja. DIE LINKE setzt sich auch weiterhin für die gesetzliche Verankerung und vollumfängliche Ausweitung des Verbandsklagerechts für Umwelt‑, Natur- und Tierschutzvereinigungen und Einzelne im Sinne der Aarhus-Konvention ein.
Außerdem wollen wir ein Landestierschutzbüro, einen Tierschutzbeirat und die Stelle einer oder eines Landestierschutzbeauftragten einrichten, die oder der dem Landtag jährlich einen Bericht über die Tierschutzsituation erstattet (siehe Landeswahlprogramm). Diese Maßnahmen können Anlass und Ausgangspunkt für merkliche Verbesserungen im Tierschutz sein – so unsere Hoffnung.
Zum Punkt „Tierschutz als Bildungsauftrag“ hat DIE LINKE noch keine abschließende Position. Wir müssen zusehen, dass wir die Lehrpläne nicht überfrachten. Diverse Interessenverbände wollen Themen von IT-Kenntnissen bis hin zum Tierschutz in die Lehrpläne integriert wissen. Dies scheitert zunächst an der zu geringen Zahl an Lehrerinnen und Lehrern. Allseitig und ethisch gebildete selbstbewusste und empathische Menschen können wohl kaum Tierleid ertragen und setzen sich dagegen ein – ob mit oder ohne einem weiteren Schulfach.
2. zu Gefahrentiergesetz, Exotenbörsen, Mitteln für Tierheime
DIE LINKE fordert unter anderem die Einführung einer Positivliste für Tiere, die generell im Privathaushalt gehalten werden können. Solch eine Liste sollte dementsprechend auch Kriterien des Tier‑, Natur- und Artenschutzes sowie des möglichen Gefahrenpotentials gegenüber Menschen und anderen Tieren berücksichtigen. Der Import der Tiere sollte vorab streng nach oben genannten Kriterien geprüft und ggf. erteilt oder verweigert werden. Darüber hinaus ist eine Sachkundeprüfung für die Halterinnen und Halter aus unserer Sicht unbedingt notwendig. Ob es darüber hinaus ein Gefahrentiergesetz braucht, muss geprüft werden. Das kommunale Verbot von Exotenbörsen ist Sache der Gemeinden. Unsere Grundsätzlich kritische Haltung gegenüber Exotenbörsen sollte bereits deutlich geworden sein.
Zur Verwahrung von gefährlichen Tieren, Wildtieren bzw. von behördlich beschlagnahmten oder eingezogenen Tieren wollen wir zentrale Stellen an den Dienststellen der Landesdirektionen schaffen. Wir wollen dafür sorgen, dass der Freistaat den Kommunen die Kosten und Aufwendungen für Fund‑, herrenlose und in Obhut genommene Tiere voll erstattet, damit diese Finanzierung nicht von der Haushaltslage der Kommunen abhängig ist. DIE LINKE fordert eine weitreichende staatliche Fördergarantie für Tierheime und Tierschutzeinrichtungen – dazu mehr im Landeswahlprogramm auf S. 63.
3. zu Wildtieren in Zirkussen
In unserem Landeswahlprogramm ist dazu zu lesen: „Landesweit wollen wir ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen umsetzen.“
Auch auf der Bundesebene unterstützt DIE LINKE die Forderung eines Verbots zur Haltung wild lebender Tierarten im Zirkus und hat dazu im Bundestag einen entsprechenden Antrag eingebracht (siehe hierzu BT-Drs. 18/12088).
4. zum Jagdgesetz und diesbezüglichem Novellierungsbedarf, Haustierabschuss, Jagdpraktiken, Nachweis von Schießfertigkeiten, Jagdfreistellung von Grundbesitz
Wir sehen diversen Novellierungsbedarf beim Jagdgesetz. Zur Änderung des Landesjagdgesetzes haben wir in den Jahren 2012 und 2018 Änderungsanträge eingebracht:
ÄAntr DIE LINKE 09.05.2012 Drs 5/9075
ÄAntr DIE LINKE 30.01.2018 Drs 6/12261
Es ging dabei u. a. darum,
- flächendeckend verbindliche Hegegemeinschaften einzuführen, in denen außer den Jägerinnen und Jägern auch die Vertreterinnen und Vertreter des Grundeigentums und – neu – der Landnutzung beteiligt sind,
- den Wolf und weitere Tiere (bspw. Birkhuhn und Mauswiesel) aus dem Jagdrecht zu nehmen,
- anerkannten Forstbetriebsgemeinschaften die Bildung eines Eigenjagdbezirkes bereits ab einer Fläche von 150 (statt 250) Hektar zu ermöglichen,
- flächendeckend Verbissgutachten durchzuführen (um auf dieser Grundlage Abschusspläne zu erstellen).
DIE LINKE vertritt den Ökosystemansatz für die Jagd, also das Prinzip „Wald und Wild“, was eine enge, konstruktive Zusammenarbeit zwischen allen Flächennutzer*innen voraussetzt. Dabei darf Jagd kein Selbstzweck sein, sondern auch das Töten von Wildtieren nach Tierschutzgesetz bedarf eines vernünftigen Grundes. Füchse gehören nach Bundesjagdgesetz zu den jagdbaren Arten. Ihre günstige Populationsentwicklung, die u.a. auch auf den einfachen und hohen Futterzugriff im ländlichen wie im urbanen Raum zurückzuführen ist, und die wenigen natürlichen Feinde sind aus unserer Sicht hinreichende Gründe für ihre Bejagung, zumal hohe Fuchsbesätze auch die Probleme der Bodenbrüter und des Niederwilds verstärken.
DIE LINKE will den Abschuss von Katzen und Hunden grundsätzlich verbieten, die jetzt schon bestehenden Ausnahmen nach dem Tierseuchenrecht und aus Erwägungen des Artenschutzes jedoch erhalten. Daneben sollte für auffällig gewordene Hunde die zuständige Jagdbehörde über einen Antrag zum Abschuss Einzelfallentscheidungen treffen.
Außerdem möchte DIE LINKE auch die Jagdausbildung stärker an den gesellschaftspolitischen Anforderungen im Sinne einer naturnahen Waldbewirtschaftung ausrichten und die Themen Lebensmittelsicherheit, Tierschutz, Ökologie und Waldbau stärken. Bundeseinheitliche Vorgaben zum Schießübungsnachweis im Rahmen der Jäger*innenprüfung sowie zur Verlängerung des Jagdscheines sind aus Sicherheitsgründen zu begrüßen.
Des Weiteren verweisen Jagdgesetze des Bundes und der Länder bislang lediglich auf die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Waidgerechtigkeit, während der dahinter stehende Kanon an Regeln und Normen bisher nicht rechtsverbindlich festgeschrieben ist. Um die gesellschaftliche Akzeptanz der Jagd zu erhalten, sind aus unserer Sicht sachliche Diskussionen zum Regelwerk und verbindliche Festschreibungen dazu notwendig.
Auch bei der Jagd gilt der Grundsatz, dass den Tieren kein unnötiges Leid zugefügt werden darf. Aus diesem Grund bedeutet die Baujagd eine besonders hohe Verantwortung. Soweit die effektive Bejagung nachweislich anders nicht möglich ist, scheint uns die Aufnahme eines Sachkundenachweises als geeignet, die Tierschutzgerechtigkeit zu erhöhen.
In Sachsen sind Totschlagfallen grundsätzlich verboten, bzw. nur auf gesonderten Antrag hin einsetzbar (§ 18 SächsJagdG). Soweit Fallen durch ihre Art und Anwendung (bspw. Köder) ein Höchstmaß an Selektion ermöglichen bzw. andersherum Fehlfänge/ nicht beabsichtigte Tötungen ausschließen, mindestens einmal täglich kontrolliert werden und so Leiden ersparen, ist im strikten Ausnahmefall dagegen nichts einzuwenden.
Die bei der Reduktion der Schwarzwildbestände genutzten Saufänge (vgl. Landtags-Drs. 6/17103), bei denen (mehrere) Sauen lebend gefangen und anschließend ggf. nacheinander getötet werden, gehören nach unserer Auffassung ausdrücklich nicht zu den zu unterstützenden Maßnahmen gegen überhöhte Schwarzwildbestände: Leiden werden durch die Art und Weise der Falle nicht erspart, sondern hervorgerufen (Paniksituation der übrigen Sauen beim Abschuss).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in diversen Urteilen natürlichen Personen das Recht zugestanden, dass ihre Jagdbezirksflächen aus ethischen Gründen von der Jagdausübung verschont bleiben. Da es sich um den „Ausdruck einer höchst persönlichen Überzeugung und Gewissensentscheidung“ handelt, kann nach geltender Rechtsprechung eine juristische Person aufgrund ihres fiktionalen Charakters – selbst wenn sämtliche Mitglieder einer Körperschaft ethische Gründe geltend machen könnten – dies nicht für sich beanspruchen.
5. zum Wolf im Jagdrecht
Eine Begrenzung der Wolfspopulation, eine geregelte Bejagung von Wölfen und wolfsfreie Zonen lehnen wir in der gegenwärtigen Situation ab. Wölfe üben arteigenes Verhalten aus, dessen Tolerierung gleichwohl bei Gefahr für Leib und Leben von Menschen endet. Im Vorfeld sind die bislang nur untergeordnet angewandten Maßnahmen der Vergrämung zu überdenken und – wo sinnvoll – zu intensivieren. Dies auch, um den befürchteten Situationen zuvorzukommen und bereits jetzt handlungsfähig zu sein. Gleichwohl liefern Menschen den Wölfen durch gezielte Fütterung, aber auch unangemessen geschützte Tierhaltung immer wieder Vorwände und Angebote, um Nahrung in Nähe der Menschen und nicht in der Natur zu suchen; das ist nicht den Tieren vorzuwerfen.
Bei der Förderung gibt es nicht mehr viel Spielraum zur Optimierung; entscheidend ist, dass sich die Art und Weise der Tierhaltung ändern muss. Auch Wiedertierhaltung und ‑schutz ist eine Kulturtechnik, die erst wieder erlernt werden und überdies gefördert werden muss, etwa durch eine Weidetierprämie.
6. zur Tierhaltung in Zoos – insb. Flugunfähigmachen von Vögeln, Haltungsvorgaben, Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorgaben
Aus finanziellen, technischen oder auch denkmalschutzrechtlichen Gründen sehen sich Zoos gezwungen, Vögel flugunfähig zu machen. Das routinemäßige Flugunfähigmachen von Vögeln als zootechnische Maßnahme geht nicht auf eine „tierärztliche Indikation im Einzelfall“ zurück. Das Flugunfähigmachen von Vögeln gehört nicht zu den im Tierschutzgesetz vorgesehenen Ausnahmen. Ein Ausweg aus der Misere ist entweder durch mehr Geld für Zoos oder harte Verbote zu erreichen. Dazu gibt es noch keine abschließende Position. Wir wollen einen sächsischen Landestierschutzplan erarbeiten, um bspw. den Tierschutz zu verbessern – ein Element des Plans wird sicherlich auch die Situation von Zootieren sein.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat im Mai 2014 mit dem „Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“ ein überarbeitetes Regelwerk für die Haltung von Säugetieren in Zoos veröffentlicht. In vielen Zoos ist die vollumfängliche Umsetzung dieser wichtigen Tierschutzrichtlinien jedoch nicht oder kaum zu erkennen. Mit der Überarbeitung des Säugetiergutachtens von 2014 wurde ein Schritt in die richtige Richtung getan, jedoch besteht auch hier aus Sicht der LINKEN weiterhin Handlungsbedarf. Ein wesentlicher Kritikpunkt besteht darin, dass das Gutachten keinerlei rechtlich verpflichtenden Charakter hat, sondern lediglich als Empfehlung zu verstehen ist. Eine art- und tierschutzgerechte Haltung von Tieren wird jedoch nur durch rechtlich verbindliche Regelungen durchzusetzen sein.
Die Haltung mancher Arten sollte sorgfältig geprüft werden – etwa ob in unserem Klima die Eisbärhaltung tiergerecht durchführbar ist. Delfinarien sind zu verbieten: Ein bedeutender Teil der wissenschaftlichen Literatur zeigt auf, dass deren Haltung in Bassins tiergerecht nicht möglich ist.
7. zur tierversuchsfreien Forschung und Studium
DIE LINKE setzt sich für die Einschränkung von Tierversuchen durch die Stärkung der Forschung und Förderung von Alternativmethoden zum Tierversuch sowie für ein Verbot aller bereits vollumfänglich ersetzbaren und medizinisch nicht notwendigen Tierversuche ein. Dafür ist ein Konzept notwendig, welches als langfristiges Ziel den Verzicht auf Versuchstiere für die wissenschaftliche Forschung bei gleichzeitigem Ausbau der Förderstrukturen für alternative Methoden beinhaltet. Dazu gehören beispielsweise die Umverteilung von Forschungsmitteln zugunsten der Weiter- und Neuentwicklung tierversuchsfreier Methoden, die Ausweitung von Lehre und Forschung einer tierverbrauchsfreien Wissenschaft, aber auch die Einführung von Kontrollmaßnahmen, die eine Zunahme tierverbrauchsfreier Verfahren sowie die Abnahme aller durchgeführten Tierversuche dokumentieren und die nachträgliche Bewertung aller durchgeführten Tierversuche sowie Archivierung und öffentliche Nutzbarmachung der gesammelten Daten ermöglichen. (siehe dazu auch BT-Drs.: 18/724).
DIE LINKE setzt sich für die Ausweitung von Lehre und Forschung einer tierverbrauchsfreien Wissenschaft in Form von tierversuchsfreien Studiengängen in den Lebenswissenschaften ein, verbunden mit der Einrichtung von Lehrstühlen und Professuren für tierverbrauchsfreie Verfahren. Darüber hinaus fordern wir die Erarbeitung eines Handbuchs zur ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen nach einheitlichen Kriterien bei der Zulassung von Tierversuchen sowie dafür zu sorgen, dass Tierversuche in Aus‑, Fort- und Weiterbildung zukünftig der Genehmigungspflicht unterliegen.
8. besonders drängende Themen
Wir wollen unseren durch die Mehrheit von CDU/SPD abgeschmetterten Entwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung des Tierschutzes in Sachsen und zur Förderung der im Bereich des Tierschutzes tätigen Vereine und Verbände“ (Landtags-Drucksache 6/14771) weiter voranbringen. Mit diesem Gesetzentwurf werden zum Schutz der Tiere erforderliche gesetzliche verbindliche Regelungen und neue Instrumente mit den Mitteln des sächsischen Landesrechtes geschaffen. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf geht es uns unter anderem darum, die anerkannten Tierschutzorganisationen in Sachsen über die bisher bestehenden gesetzlichen Beteiligungspflichten hinaus stärker einzubinden sowie die permanent unterfinanzierten Tierheime bzw. deren Träger endlich in angemessener Weise personell und finanziell auszustatten.
Unser Ziel dabei ist, dem Tierschutz in Sachsen die Bedeutung zukommen zu lassen, die nach unserer Auffassung unbedingt notwendig ist und die der Tierschutz verdient.