Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: BiNe – Bisexuelles Netzwerk e. V.
1. Wie wollen Sie das Bewusstsein für bisexuelle Menschen in unserer Gesellschaft stärken?
Bisexuelle Menschen befinden sich häufig in einer besonderen Situation – weder schwul noch hetero, sind sie von allen Seiten Diskriminierung ausgesetzt. Wir halten es generell für wichtig, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass es verschiedene sexuelle Orientierungen und auch geschlechtliche Identitäten gibt. Daher setzen wir uns sehr dafür ein, genau diese Vielfalt sichtbar und bewusst zu machen. Bisexualität gehört selbstverständlich dazu. Beispielsweise könnte eine Sexualaufklärung in Bildungseinrichtungen es jungen Menschen ermöglichen, einen gesunden Umgang mit der eigenen und der Sexualität anderer zu finden. Das kann aber nur eine Maßnahme sein. Um auf die besondere Situation von Bisexuellen – aber auch von LSBTIQ* – in Sachsen besser eingehen zu können, ist eine Erforschung derer Lebenslagen notwendig. Maßnahmen, die sich aus diesem Bericht ergeben, können in den fortgeführten Landesaktionsplan Vielfalt einfließen.
2. Wie wollen Sie Coming-outs unterstützen – von Vorbildern (Politiker_innen, Lehrer_innen)?
Das Outing von öffentlichen Personen, sei es im Sport oder in der Politik, ist immer ein Gradmesser für die Frage, wie akzeptiert und anerkannt z.B. eine sexuelle Orientierung oder auch ein anderes Merkmal ist. Die Tatsache, dass es in Deutschland kaum geoutete bisexuelle Personen des öffentlichen Lebens gibt, zeigt, dass offensichtlich negative Reaktionen befürchtet werden, wenn man sich als bisexuelle Person outet – denn statistisch gesehen sind natürlich auch unter den Personen des öffentlichen Lebens zahlreiche Bisexuelle.
Wir setzen uns generell für ein Klima der Akzeptanz, Vielfalt und Offenheit ein. Für uns ein selbstverständlicher Bestandteil ist die Ansicht, dass sexuelle Orientierungen gleichberechtigt nebeneinander stehen müssen.
Offenheit und Vielfalt bedeuten aber auch, dass sich daraus keine neue, einengende Konzepte entwickeln dürfen. Die Selbstbestimmung steht für uns im Vordergrund. Das heißt, dass sich niemand entscheiden oder festlegen muss.
3. Wie wollen Sie Coming-outs von bisexuellen Jugendlichen unterstützen und sich gegen Diskriminierung bisexueller Jugendlicher einsetzen?
Wie hoch werden die Mittel sein, die dazu zur Verfügung stehen werden?
In Sachsen gibt es bereits Strukturen freier Träger, die eine gute Arbeit im Bereich Bildung, Begegnung, Kultur und Aufklärung für geschlechtliche Vielfalt und sexuelle Orientierung leisten. Hier finden insbesondere auch Jugendliche Beratungsangebote und peer-groups, in denen sie bestärkt werden, Erfahrungen austauschen können und in ihrem Coming-Out unterstützt werden. Wir haben uns seit Jahren dafür eingesetzt, dass diese Träger nicht nur in den drei großen Städten Dresden, Leipzig und Chemnitz gefördert werden, sondern auch im ländlichen Raum aktiv sein können. Das wurde im Jahr 2017 durch die Finanzierung einer Umlandberatung auch tatsächlich realisiert.
Wir setzen uns weiterhin dafür ein, diese bestehenden Strukturen zu erhalten und perspektivisch auch auszubauen.
Doch auch in der Schule muss deutlich mehr passieren in Sachen Aufklärung und Antidiskriminierungsarbeit. Wir haben hier den Vorschlag eingebracht, dass nach dem Vorbild Berlin an jeder weiterführenden Schule eine Beauftragtenposition für LSBTIQ*-Schüler*innen eingerichtet werden soll, eine Art Vertrauensperson, die einerseits für die Jugendlichen ansprechbar ist und gleichzeitig selbst Antidiskriminierungsarbeit im Kollegium wie auch im Unterricht leistet. Vgl. außerdem Antwort auf Frage 4.
4. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Schüler_innen konkret über Bisexualität aufgeklärt werden?
Wir betrachten das in Sachsen verwendete Unterrichtsmaterial als ungenügend.
Schulbücher bilden in ihren Darstellungen, Beschreibungen und Aufgabenstellungen Alltagssituationen und Lebensrealitäten ab und vermitteln so einen Eindruck, was „normal“ und „alltäglich“ ist. Daher spielt es eine zentrale Rolle, dass die Darstellungen und Abbildungen die gelebte Vielfalt widerspiegeln und nicht durch einseitige Darstellungen eine Normierung vornehmen.
Wir fordern daher, dass Schulbücher grundlegend auf Diskriminierung – auch durch Nicht-Thematisierung – geprüft werden. Das betrifft sowohl die Aufklärung z. B. im Sexualkundeunterricht über sexuelle Orientierungen oder im Ethik-/Sozialkundeunterricht über sexuelle Identitäten, als auch die bildhaften Darstellungen oder Formulierungen in Aufgabenstellungen. Die Vielfalt der Gesellschaft muss auch Eingang in die Schulbücher finden.
Dazu müssen natürlich auch die Lehrkräfte entsprechend aus-und fortgebildet werden. Daher setzen wir uns für den Ausbau der in Sachsen bestehenden Schulaufklärungsprojekte ein und fordern eine entsprechende Weiterentwicklung in der Lehramtsausbildung. Die Themen Vielfalt, Antidiskriminierung, Mobbing müssen in der Lehramtsausbildung eine zentrale Rolle spielen, damit Lehrkräfte angemessen reagieren und ihrerseits aktiv für eine diskriminierungsfreie Schule arbeiten können.
5. Wie schützen Sie unsere Kinder und Jugendlichen vor rückwärtsgewandten Kräften wie den „Besorgten Eltern“?
Es gab auch in Sachsen Auftritte und Demonstrationen sogenannter „Besorgter Eltern“. Diese haben an vielen Stellen Gelegenheit, mit Pädagog*innen über ihre Sorgen sprechen, sich bei den Initiativen zu informieren, die Aufklärungsprojekte an Schulen durchführen. Mithin könnten durch solche Gespräche Sorgen und Ängste ausgeräumt werden. Das passiert aber nicht. Deshalb haben wir als LINKE hier sehr aktiv an der Darstellung von Gegenpositionen mitgewirkt und waren an den Gegendemonstrationen beteiligt. Durch Öffentlichkeitsarbeit haben wir die Argumente stark gemacht, die eine unaufgeregte und vor allem auch ihre Vielfalt darstellende Sexualaufklärung in der Schule befürworten. Es ist unsere Überzeugung, dass Aufklärung und vor allem auch das Aufklären über Vielfalt grundlegend sind für eine offene und diskriminierungsfreie Gesellschaft.
Die Bevorzugung von Lebensentwürfen oder sexuellen Orientierungen z. B. durch Verschweigen oder Herabsetzen von anderen lehnen wir ab. Die Realität ist vielfältig, das kann auch durch krude Behauptungen nicht verleugnet werden.
6. Welche vergleichbare Aktion können Sie sich für Ihr Bundesland vorstellen? Wie soll es umgesetzt werden?
Diese Aktion wäre auch in Sachsen gut vorstellbar, wir als LINKE unterstützen z.B. auch jedes Jahr die CSD-Veranstaltungen in Sachsen ebenso wie die Veranstaltungen und Aktionen rund um den IDAHIT* am 17. Mai.
Außerdem haben wir lange darauf gedrängt, dass Sachsen der Charta der Vielfalt beitritt – was nach zu langer Zeit nun endlich erfolgt ist.
Wir setzen uns für eine offene und diskriminierungsfreie Gesellschaft ein. Alle Aktionen oder Symbole, die dieses Ziel fördern, sind uns willkommen.
7. Inwieweit fördern Sie die Forschung zum Thema Bisexualität an den Universitäten? Welche Mittel stellen Sie dazu zur Verfügung?
Und inwiefern sorgen Sie für die Verbreitung und Berücksichtigung der Ergebnisse in Ihrer politischen Arbeit?
Grundsätzlich ist die Lehre und Forschung natürlich frei. Wir setzen uns hier jedoch bereits seit Jahren dafür ein, dass z.B. in der Lehramts- oder Sozialpädagogikausbildung LSBTIQ*-Themen Eingang finden und zu einem festen Bestandteil werden.
Wir haben zudem im Landtag beantragt, dass eine wissenschaftliche Studie zu Lebenslagen von LSBTIQ*-Personen in Sachsen angefertigt wird. Vgl. dazu außerdem die Antwort auf Frage 1.
8. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass menschenrechtsfeindliche Äußerungen auch für Politiker_innen deutlichere Konsequenzen haben?
Wir treten ganz aktiv und konsequent gegen jegliche Art von menschenrechtsfeindlichen Äußerungen und Verhaltensweisen ein. Es ist nicht hinnehmbar, dass Politiker*innen, die sich offen menschenverachtend und menschenrechtsfeindlich äußern, immer wieder eine Bühne geboten wird.
Wir machen überall dort, wo wir es mitbekommen, dass entsprechende Äußerungen fallen, darauf aufmerksam. Und treten mit unserem Verhalten ganz entschieden gegen solche Äußerungen ein.
Wir glauben, dass mit der Aufnahme des Merkmals sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes auch die Diskriminierung von Bisexuellen und damit auch Anfeindungen einfacher verfolgt werden können. Die aktuelle Staatsregierung setzt sich dafür nicht ein.
9. Wie wollen Sie bisexuelle Mitmenschen besser vor Hassgewalt schützen?
Das Thema Hassgewalt bearbeiten wir als Linksfraktion seit Längerem, u.a. haben wir hierzu einige kleine Anfragen eingebracht. Wir fordern zudem, dass in der Polizeilichen Kriminalstatistik Gewaltdelikte gegen LSBTIQ* gesondert ausgewiesen werden, um sie sichtbar zu machen.
Da es seitens der Landesregierung keine Bereitschaft gab und gibt, hier spürbar tätig zu werden, haben wir eine Studie zu
10. Wie ist Ihre Haltung zur Verbesserung der Blutspenderegelungen für Männer, die mit Männern Sex haben?
Auch die Überarbeitung der Blutspenderegeln mit der 12-Monatsfrist halten wir für diskriminierend. Wenn der Gesundheitsschutz von Blutspendenempfänger*innen durch neue Nachweistechniken zu HIV oder Befragungen der Spender*innen gesichert werden kann, sollen sie auch für eine Spende in Frage kommen.
11. Was tun Sie dafür, damit Rechte von Trans*-Menschen berücksichtigt werden?
Was tun Sie dafür, dass Menschenrechte nicht Spielbälle der Politik bleiben, sondern selbstverständlich und möglichst weitgehend ausgelegt werden, statt begrenzt?
Wir haben einige parlamentarische Initiativen auf den Weg gebracht, die darauf abzielen, die Rechte von Trans*-Personen zu stärken. So fordern wir ein, dass ein Lebenslagenbericht für Sachsen erstellt wird, in dem die Lebenslagen von LSBTIQ*-Personen in einer wissenschaftlichen Studie analysiert werden sollen.
Weiterhin lehnen wir das Prinzip der zwei Gutachten im Vorfeld von Geschlechtsangleichenden Maßnahmen ab.
Wir haben als Linksfraktion in Sachsen – wie in anderen Landtagen auch – einen Antrag eingebracht, die Bundesratsinitiative zu unterstützen, die eine Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um die Merkmale „sexuelle Orientierung“ und „Geschlechtsidentität“ vorsieht. Das wäre in unseren Augen ein angemessenes Zeichen, dass das Menschenrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit in Bezug auf die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität grundgesetzlich verankert würde.
12. Was tun Sie dafür, dass die Stimmung in Sachsen wieder positiver wird?
Was tun Sie dafür, dass rechtsextreme Aufmärsche verboten werden?
Was tun Sie dafür, dass rechtsextreme Einflussnahmen eingeschränkt werden?
Wir sind ein starker Teil der Bewegung in Sachsen, die für Vielfalt und Weltoffenheit steht. Dafür sind wir als LINKE in vielen Bündnissen aktiv, sowohl durch unsere Mitglieder und Funktionsträger*innen als auch durch logistische oder finanzielle Unterstützung. Wir wollen diejenigen stärken, die für eine offene Gesellschaft eintreten.
Wo wir selbst Möglichkeiten der Einflussnahme haben, z.B. in kommunalen Räten, drängen wir immer wieder darauf, rechtsextremen Aufmärschen keine prominente Bühne zu bieten. Selbstverständlich sind Demonstrationen grundsätzlich immer grundgesetzlich geschützt, aber wenn dort menschenverachtende und menschenfeindliche Statements auf der Bühne abgegeben werden, muss das auch juristische Konsequenzen haben.
Wir stehen konsequent gegen Rechtsextremismus und menschenverachtende Äußerungen ein. Dazu leisten wir Aufklärung, z.B. haben wir das im NSU-Untersuchungsausschuss getan und immer wieder gefordert, die Gefahren des Rechtsterrorismus nicht zu unterschätzen. Wir versuchen mit allen demokratischen Mitteln, rechtsextreme Einstellungen zurückzudrängen und diejenigen zu stärken, die für eine offene Gesellschaft eintreten.
13. Warum wird der Rat von Klimaforschenden nicht ernstgenommen?
Was tun Sie dafür, dass die Erderwärmung wirklich auf 1,5 Grad begrenzt wird?
Die Bewegung Fridays for future wird von uns keineswegs belächelt, sondern als ein sehr ernst zu nehmender Protest der Schüler*innen gewertet, der die Klimadebatte ganz neu entflammt hat. Wir sind selbstverständlich für einen strengen Umweltschutz und eine Klimapolitik, die das Pariser Abkommen verwirklicht. Denn Umwelt- und Klimapolitik sind ganz eng mit der sozialen Frage verknüpft – und diese steht für uns als LINKE immer im Mittelpunkt.
Daher haben wir im Sächsischen Landtag zahlreiche parlamentarische Initiativen eingebracht, die den Umweltschutz und Klimapolitik zum Thema machen und hier Vorschläge liefern, z.B. in Bezug auf eine umweltfreundlichere Verkehrspolitik – insbesondere den Ausbau von Bus und Bahn sowie von Fahrradwegen, den Strukturwandel in der Lausitz und den Ausstieg aus der Kohleindustrie betreffend oder auch allgemein zur Energiewende oder zu Maßnahmen gegen Insektensterben und für Waldschutz.