Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Deutsche Gesellschaft Juniorprofessur e.V. – Verein für moderne Karrierewege in der Wissenschaft
1) Wissenschaftsstandort Sachsen
Welche Stärken und Schwächen hat der Wissenschaftsstandort Sachsen und wie kann dessen Attraktivität weiter gesteigert werden?
Die sächsischen Hochschulen sollen Orte kritischer Reflexion und Infragestellung aktueller Themen und Probleme sein. Dieses Potential muss auf kommunaler sowie auf Landes‑, Bundes und internationaler Ebene ausgebaut werden. Nur (welt-)offene, freie, demokratische und vielfältige Hochschulen können die Herausforderungen unserer Zukunft (Renaissance des Faschismus, die Folgen der Globalisierung, die Frage nach globaler Gerechtigkeit, nach dem Umgang mit der Endlichkeit der Ressourcen und alternativen Wegen für den Klimaschutz, …) angehen. Dafür muss der Staat die notwendigen Voraussetzungen schaffen, d.h. eine personell und finanziell auskömmliche Ausstattung sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen.
2) Hochschulfinanzierung
In welchem Umfang sollen Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungs-einrichtungen in Sachsen in der nächsten Legislaturperiode gefördert werden?
Die Hochschulen brauchen eine Erhöhung der Grundfinanzierung. In den letzten Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 schlug die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag eine hochschulpolitische Wiedergutmachungsinitiative („Hopo-WIN“) in Höhe von ca. 740 Mio. Euro für 2019 und ca. 790 Mio. Euro für 2020 vor. Die von der Fraktion DIE LINKE veranschlagten Mittel können dafür nur ein Anfang sein und werden die angefallenen Probleme natürlich nicht in den nächsten Jahren sofort lösen, deshalb ist es wichtig, dass es für die Hochschulfinanzierung eine Dynamisierung, also einen ab 2020 jährlichen Aufwuchs von 6% gibt. Damit haben die Hochschulen in Sachsen tatsächliche Planungssicherheit und können trotzdem neue Herausforderungen und Aufgaben angehen.
3) Forschungsförderung
Sollte es weiterhin Programme zur Förderung von Exzellenzuniversitäten geben und sehen Sie ggf. Änderungsbedarf im Vergleich zu der bisherigen Ausgestaltung?
Nein.
4) Karrierewege in der Wissenschaft
Mit Habilitation, Junior- und Tenure-Track-Professuren, Nachwuchsgruppenleitungen und weiteren Stellenkategorien gibt es eine wachsende Heterogenität wissenschaftlicher Karrierewege innerhalb Sachsens sowie zwischen den Bundesländern. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Diese unterschiedlichen Stellenkategorien stellen weniger alternative Karrierepfade dar, vielmehr sind sie neue Verfahren um die Qualifikation zu erwerben, einen Lehrstuhl besetzen zu können. Wenn es um alternative Karrierewege geht, sollten vor allem Karrierewege ausgestaltet werden, die nicht unbedingt eine Professur zum Ziel haben. Beispielsweise nicht auf Anweisung arbeitende, unbefristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, die ohne Professur und Habilitation ihre eigenen wissenschaftlichen Projekte entwickeln und bearbeiten.
5) Habilitation
Welchen Stellenwert sollte die Habilitation in Zukunft im sächsischen Hochschulsystem haben?
Die Habilitation als Voraussetzung für eine Berufung auf eine Professur ist bereits heute nicht mehr die Regel. Alternative Modelle wie Juniorprofessuren und Nachwuchsgruppenleiter*innen haben sich etabliert. In einigen Fächern wird bei Berufungen sogar gänzlich auf das Vorhandensein einer solchen Qualifikation verzichtet.
6) Juniorprofessur
Soll es zukünftig befristete Juniorprofessuren (bzw. vergleichbare Positionen nach der Promotion) ohne Tenure-Track in Sachsen geben?
DIE LINKE. Sachsen hat sich im Rahmen der letzten Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gegen weitere Befristungsmöglichkeiten von wissenschaftlichen Beschäftigten mit Promotion ausgesprochen. Eine Ausnahme ist bei einer Beschäftigung im Rahmen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nur in zwei Fällen möglich:
1. wenn es sich um eine Qualifizierungsstelle handelt, bei der vorgesehen ist, dass nach spätestens zwei Jahren die Befristungsabrede entfällt, sobald in einem wissenschaftlichen Gutachten festgestellt wurde, dass die fachliche, pädagogische und persönliche Eignung des Qualifizierungsziels erreicht worden ist,
2. wenn es sich um eine Beschäftigung im Rahmen eines drittmittelfinanzierten Projekts handelt. Die Dauer der Befristung muss der Projektlaufzeit entsprechen, darf gleichzeitig jedoch nicht weniger als 24 Monate betragen.
Um eine Umgehung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zu verhindern, wollen wir die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung nach Teilzeit- und Befristungsgesetz vollständig streichen und nur eine einmalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber erlauben.
7) Tenure Track
Halten Sie die Einführung von Tenure-Track-Professuren für ein wirksames Mittel, um nachhaltigere Personalstrategien an Universitäten zu etablieren? Falls ja, planen Sie über das Bund-Länder-Programm hinausgehende oder das Programm ergänzende Initiativen zu ihrer Etablierung in Sachsen? Falls nein, welche Maßnahmen halten Sie für effektiver?
Tenure-Track-Professuren sind nur ein Mittel, um nachhaltigere Personalstrategien an Universitäten zu etablieren.
Auf allen Karrierestufen nach der Promotion müssen Tenure – Optionen die Regel werden, um Transparenz, Leistungsgerechtigkeit und Planbarkeit in den Karrierewegen zu sichern. Persönliche Abhängigkeiten und Hierarchien dürfen nicht länger die wissenschaftliche Kreativität und Innovationsfähigkeit junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler behindern. Um für ihre Mitarbeiter*innen nachhaltig sichere Rahmenbedingungen vorhalten zu können, benötigen die Hochschulen eine sichere finanzielle und personelle Ausstattung. Wir halten die Abschaffung des Lehrstuhlprinzips zu Gunsten eines Departmentmodells für eine effektivere Maßnahme.
8) Departmentstruktur
In den vergangenen Jahren wird verstärkt ein Wandel von einer Lehrstuhl- hin zu einer Departmentstruktur an Universitäten diskutiert. Wie bewerten Sie die Departmentstruktur als mögliche Organisationsform für sächsische Universitäten?
Im Gesetzesentwurf der Fraktion DIE LINKE im sächsischen Landtag zum Hochschulselbstverwaltungsgesetz wurde explizit die Abschaffung des antiquierten Lehrstuhlprinzips gefordert. Um den Hochschulen mehr Möglichkeiten zu geben, Mitarbeiter*innen unbefristet anzustellen, will DIE LINKE Departments einrichten. In diesen soll kollegial gelehrt und geforscht werden – unabhängig vom*von der Lehrstuhlinhaber*in.
9) Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Wie zeitgemäß ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz?
Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz will DIE LINKE. Sachsen zugunsten eines echten Wissenschaftsqualifizierungsgesetzes abschaffen.
10) Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Wie lassen sich aus Ihrer Sicht familienfreundlichere Rahmenbedingungen für die Wissenschaft schaffen? In welchem Umfang wollen Sie in der nächsten Legislaturperiode Dual Career Modelle oder den Ausbau der Kinderbetreuung an sächsischen Hochschulen für Studierende und Mitarbeitende fördern?
Grundsätzlich will DIE LINKE. Sachsen familienfreundliche Hochschulen für alle Mitglieder schaffen. DIE LINKE. Sachsen will für Wissenschaftler*innen planbare Karriereperspektiven schaffen. Das bedeutet, die Abschaffung des Lehrstuhlprinzips und die auskömmliche Finanzierung der Hochschulen zur langfristigen Absicherung von in der Regel unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen. Auch Angebote wie Dual-Career müssen weiter ausgebaut und vor allem auch an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften etabliert werden, um Familien zu stärken.