Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Deutscher Hanfverband
Die deutsche Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Behandlung, Überlebenshilfe und Schadensminimierung, Repression und Angebotsminimierung. In Deutschland werden weit mehr Ressourcen für Repression als für Prävention ausgegeben. Wie bewerten Sie die Schwerpunktsetzung in der Drogenpolitik? Halten Sie Repression und die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten für eine sinnvolle Säule der Drogenpolitik?
Nein. Es gibt eine erhebliche Schieflage in der Verteilung der aufgewendeten Mittel. Die Säulen Prävention, Beratung/Behandlung und Überlebenshilfe/Schadensminimierung teilen sich in einen kümmerlichen Rest, der nach massiven Aufwendungen für weitestgehend erfolglose Repression übrigbleibt. Diese Ausrichtung ist fatal, wenn nicht sogar tödlich.
Menschen, die Cannabis konsumieren, werden immer noch strafrechtlich verfolgt. Wollen Sie diese Strafverfolgung generell mildern, verschärfen oder unverändert lassen?
DIE LINKE. Sachsen will die Entkriminalisierung von Cannabiskonsumierenden. Die strafrechtliche Verfolgung von Menschen, die Cannabis konsumieren, gehört weder gemildert, verschärft noch unverändert – sie gehört abgeschafft!
Nach dem Urteil des BVerfG von 1994 sollen “Geringe Mengen” für den Eigenbedarf nicht strafrechtlich verfolgt werden. Wie stehen Sie zur aktuellen Verordnung zur Anwendung der »Geringen Menge« nach §31a BtmG in Sachsen und planen Sie Änderungen?
In Sachsen gibt es eine diffuse Regelung, nach der in „Konsumeinheiten“ gedacht wird und die überdies lediglich für Cannabis und Ecstasy gilt. Für die CDU-geführte Staatsregierung resultiert dies aus der eigentlich seit Jahrzehnten widerlegten „Einstiegsdrogenthese“. Zudem ist unlängst nach bester Stammtisch-Manier das Vorgehen gegenüber sog. „Bagatelldelikten“ verschärft worden, bei der wir eine weitere Verschärfung der Repression gegenüber Drogenkonsumierenden befürchten. DIE LINKE. Sachsen will diesen drogenpolitischen Blindflug beenden. Die Regelungen zu „geringen Mengen“ nach §31a BtmG wollen wir bundeseinheitlich regeln. Das ist überfällig, ansonsten siehe unsere Antwort zu Punkt 2.
Wollen Sie die Strafverfolgung des Anbaus weniger Hanfpflanzen zur Deckung des Eigenbedarfs mildern, verschärfen oder unverändert lassen?
DIE LINKE. Sachsen will den Anbau von Cannabis zum Eigengebrauch entkriminalisieren sowie den genossenschaftlich organisierten und nichtkommerziellen Anbau über Cannabis-Social-Clubs ermöglichen. Konkret heißt das: Die Strafverfolgung diesbezüglich nicht nur abmildern, sondern abschaffen.
Nach §3 Abs. 2. BtMG kann eine Kommune oder ein Land eine Ausnahmegenehmigung für eine legale Veräußerung von Cannabis beantragen, wenn dies im wissenschaftlichen oder öffentlichen Interesse liegt. Wie stehen Sie zu einem Modellversuch für eine kontrollierte Veräußerung von Cannabis an Erwachsene?
Unser Wahlprogramm ist auch hier deutlich: „Wir werden uns für eine Legalisierung und kontrollierte Bezugsmöglichkeit von Cannabis einsetzen.“ Wenn dies zunächst über den Umweg eines Modellversuchs geschehen soll, unterstützen wir das selbstverständlich.
Ein regulierter legaler Markt bietet die Möglichkeit von Qualitätskontrollen bei Cannabisprodukten. Auf dem heutigen Schwarzmarkt sind der Wirkstoffgehalt sowie mögliche Verunreinigungen und Beimengungen des Cannabis für den Konsumenten nicht ersichtlich. Unter dem Aspekt der Schadensminimierung wäre die Möglichkeit für anonyme Substanzanalysen ein drogenpolitisches Instrument, das auch jetzt genutzt werden könnte. Wie stehen Sie zur Qualitätskontrolle (Drug-Checking) von Substanzen wie Cannabis?
Auch hier gilt, was im Wahlprogramm der LINKEN Sachsen formuliert ist, dass wir „erfolgreiche Ansätze und Methoden der Schadensreduzierung und Überlebenshilfe“ unterstützen werden und „Drug-Checking entkriminalisieren und als staatlich gefördertes Angebot ausbauen“ wollen.
Cannabiskonsumenten werden bei der Überprüfung der Fahreignung gegenüber Alkoholkonsumenten benachteiligt. Selbst ohne eine berauschte Teilnahme am Straßenverkehr kann Menschen, die Cannabis konsumieren, der Führerschein über das Verwaltungsrecht entzogen werden. Setzen Sie sich für eine Gleichbehandlung mit Alkoholkonsum bei der Auslegung der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ein?
Ja.
Der reine Besitz von Cannabis – ohne einen Bezug zum Straßenverkehr – wird nahezu regelmäßig von der Polizei an die Führerscheinstellen gemeldet Dies widerspricht u.E. der Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 20.06.2002, in dem u.a. festgestellt wird, dass der Besitz, der einmalige oder gelegentliche Konsum von Cannabis ohne Einfluss auf das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr keine fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen nach sich führen sollte. Wollen Sie in Sachsen an dieser Praxis festhalten oder diese ändern?
DIE LINKE. Sachsen will diese Praxis ändern, da sie eine weitere Ungleichbehandlung zwischen Alkohol- und Cannabiskonsum darstellt. Nach Angaben des Innenministeriums erfolgt die Meldung auf Grundlage des Straßenverkehrsgesetzes. Hier werden wir vor allem auf Bundesebene politisch aktiv sein.
Viele drogenpolitische Maßnahmen betreffen eher Bundesrecht. Haben Sie vor, Ihre drogenpolitischen Positionen, beispielsweise über Bundesratsinitiativen, auch bundesweit zu vertreten?
Selbstverständlich.
Welche drogenpolitischen Initiativen gab es von Ihrer Landespartei und Landtagsfraktion in der aktuellen Legislaturperiode?
Beispielsweise haben wir beantragt, dass der Landtag den Kommunen endlich die Einrichtung von Drogenkonsumräumen ermöglicht, indem dazu die überfällige Landesverordnung gem. § 10a BtmG erlassen wird. Weitere Initiativen waren z.B. die Stärkung von Gesundheitsförderung und Prävention in Sachsen, bspw. über qualifizierte Gesundheitsberichterstattungen oder auch ein Antrag zur Bereitstellung flächendeckender Hilfen für drogengebrauchende Eltern und deren Kinder. Letzterer sah eine kostendeckende, langfristige Finanzierung von fachklinischen Therapieeinrichtungen, ausreichende Platzkapazitäten, geeignete Eltern-/Kind-Versorgung, ganzheitliche, lückenlose Therapiekonzepte oder auch die Absicherung einer ambulanten Nachsorge vor. Leider wurden all diese Initiativen von der CDU-SPD Koalition abgelehnt.
Welche drogenpolitischen Initiativen plant Ihre Partei und Fraktion für die kommende Legislaturperiode?
Zunächst ist Leitlinie unserer Arbeit das Wahlprogramm. Dort ist formuliert: „Wir wollen Sachsen zum humanistischen, vernunftorientierten Vorreiter der deutschen Drogenpolitik machen. (…) Wir wollen Leben retten, Selbstbestimmung schützen und progressive Ansätze fördern.“ Daraus leiten sich unsere Initiativen maßgeblich ab. Das Programm selbst definiert dabei bereits etliche. Zunächst ist uns daran gelegen, eine ständige Expert*innenkommission einzurichten, „die die bisherige sächsische Drogenpolitik regelmäßig evaluiert, nationale und internationale best practise aufzeigt und Maßnahmen für einen neuen sächsischen Weg formuliert“. Suchthilfe, ‑beratung und ‑behandlung wollen wir langfristig absichern. Sie basieren auf individueller Vertrauensarbeit, die nicht projektbezogen und kurzbefristet leistbar ist. Die Prävention im vorschulischen und schulischen Raum wollen wir stärken, Beratungs- und Behandlungsangebote bedarfsgerecht ausbauen und besser miteinander verzahnen. Wir wollen in Sachsen zudem die Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien zum Gesundheitsziel erklären. Erfolgreiche Maßnahmen der Schadensreduzierung und Überlebenshilfe wollen wir unterstützen – das heißt: sie ausbauen, fördern und wo nötig entkriminalisieren. Das gilt ebenso für die Arbeit im sächsischen Strafvollzug. Für uns gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei allen Verwaltungsakten, staatlichen Maßnahmen und politischen Entscheidungen.
Es werden derzeit unterschiedliche Modelle für die Legalisierung weltweit diskutiert und teilweise erprobt. Die öffentliche Zustimmung für eine Legalisierung steigt derzeit rasant. Die Frage ist nicht mehr so sehr, ob wir legalisieren, sondern wie wir regulieren. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein regulierter Markt für Cannabisprodukte aussehen?
Ein regulierter Markt muss einen Spagat schaffen. Zunächst steht außer Frage, dass Legalisierung/Entkriminalisierung wichtig sind, um überhaupt sinnvolle präventive Ansätze etablieren zu können. Allerdings sollte die Überführung des Handels nicht lediglich aus dem unkontrollierbaren Schwarzmarkt „hinüber“ in einen entfesselten legalen Markt geschehen. Ein regulierter Markt über lizenzierte Fachgeschäfte, mit geschultem Personal erscheint hier sinnvoller.
Kinder- und Jugendschutz, Qualitätskontrollen, Verbraucher*innenschutz und Gesundheitsschutz, verbunden mit Werbeverboten, einer wirksamen Preiskontrolle und einer Verzahnung mit Angeboten der Drogenhilfe stützen unser Ziel, die Selbstbestimmung der Einzelnen zu schützen und sind durch wirkungsvoll regulierte Strukturen effektiver umsetzbar.