Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: LandesSchülerRat Sachsen
Frage 1: Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen, um die Digitalisierung an der Schule voranzubringen?
Um den digitalen Wandel der Gesellschaft aktiv gestalten zu können und nicht einfach nur (passiv) nach zu vollziehen, bedarf es nach Auffassung der Partei DIE LINKE. Sachsen einer Gesamtstrategie, die auf Landesebene zu entwickeln ist. Gute Initiativen zur Stärkung der digitalen Bildung in Sachsen gibt es bereits, es dominieren jedoch bislang Insellösungen das Gesamtbild. Eine Gesamtstrategie, die ein koordiniertes und landesweites Handeln/ Vorgehen ermöglicht, fehlt bisher.
Ohne einen entsprechenden Rahmen zur fachlichen Orientierung und mit politisch gesetzten Leitplanken werden Schulen in ihrer Entwicklung getrieben durch die globale hochagile Entwicklung des Internets, durch nationale Entwicklungen zu Bildungsstandards, Qualitätsrichtlinien, Medienkompetenz oder Kompetenzprofilen in Berufsbildern, durch regionale Rahmenbedingungen für die schulische Organisation im Spannungsfeld kommunaler Finanzen und dem Aushandeln von Interessenslagen.
Nach Ansicht der Partei DIE LINKE. Sachsen ist es daher an der Zeit, digitale Bildung als komplexen, aufwändigen und vielschichtigen Schulentwicklungsprozess zu verstehen, der einer aktiven landespolitischen Planung und Steuerung bedarf und an dessen Ende eine schulweite Kultur der Förderung von Medienkompetenzen und des Einsatzes digitaler Medien in Unterrichts- und Lernprozessen in allen Schularten und ‑formen steht.
Dafür müssen die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen geschaffen, Abstimmungsprozesse über verschiedene Gebietskörperschaften hinweg realisiert, interministerielle und zwischen Land und Kommunen bis hin zu (nicht-)kommerziellen IT-Dienstleistern oder Medienproduzenten abzustimmende Verfahrensweisen initiiert und durchgeführt werden.
Digitale Bildung in Schulen, Medienintegration und die Nutzung moderner Bildungstechnologien in Schulen ist heute nach übereinstimmender Ansicht der Fachleute eine Frage der Governance im schulischen Bildungssystem, weniger eine Frage der Technologie, der Pädagogik, der Lehrenden oder Lernenden.
Frage 2: Vorrede: Nahezu alle Parteien haben angekündigt, Verbesserungsbedarf bei den aktuellen schulischen Lehrplänen zu sehen. Welche Schwerpunkte würde Ihre Partei bei einer Reform der Lehrpläne setzen?
Lehrpläne weisen in der Regel zwei Formen auf. Die eine Form enthält genaue Angaben zu dem, was gelehrt werden soll und in welcher Zeit. Lehrpläne mit konkreten Wissensbeständen und einer engen Zeitplanung sind von einer hohen Verbindlichkeit. Die Lehrkräfte haben sich eng an die Vorgaben des Lehrplanes zu halten. Zwar wird die Wirksamkeit detaillierter Lehrpläne hoch eingeschätzt, doch wird ihre Wirksamkeit zumeist überschätzt. Ebenso verhält es sich mit der Steuerungsfunktion von Lehrplänen. Die PISA-Studie beispielsweise hat bewusst kein Lehrplanwissen abgefragt. Dieser Vergleichsstudie lag ein funktionales Bildungsverständnis zugrunde, das sich um Lehrpläne nicht gekümmert hat.
Die andere Lehrplanform entspricht einem weitläufigen Orientierungskonzept, das lediglich einen allgemeinen Rahmen für die Freiheit im Klassenzimmer setzen will. Man spricht deswegen auch von Rahmenplänen. Hier ist der pädagogische Spielraum für die Lehrkräfte weiter gefasst als im ersten Fall. Der Grad an Verbindlichkeit ist geringer. Rahmenpläne folgen einem relativ offenen Planungsmodus. Die Mitgestaltung des Unterrichts durch die Schülerinnen und Schüler sowie Eigenständigkeit und Selbstregulation spielen in ihnen eine große Rolle. Lernansprüche und Schülerorientiertheit werden als nahezu gleichwertig betrachtet. Der Unterricht ist von vornherein stärker projektbezogen und handlungsorientiert angelegt. Rahmenpläne verzichten auf eine detaillierte Prozessplanung des Unterrichts. DIE LINKE. Sachsen hält aus den genannten Gründen Rahmenlehrpläne für sinnvoll und wird sich für eine dementsprechende Reform der Lehrpläne einsetzen.
Frage 3: Welche Maßnahmen würden Ihre Partei innerhalb der kommenden fünf Jahre ergreifen, um gegen den Lehrermangel vorzugehen?
Hier kann selbst DIE LINKE. Sachsen nicht zaubern. Was jahrelang vernachlässigt worden ist, lässt sich nicht schnell wieder beheben. Die Chancen auf dem Lehrerarbeitsmarkt sehen, anders als oft behauptet wird, gar nicht so schlecht aus. Laut einer Berechnung der Kultusministerkonferenz für die Jahre 2014 bis 2025 besteht in den westlichen Bundesländern „im Durchschnitt für alle Lehrämter zusammen ein jährliches rechnerisches Überangebot von 5.800 Lehrkräften“. Wenn Sachsen von dem Überangebot in den alten Bundesländern profitieren möchte, dann sollte das Kultusministerium endlich für attraktive Arbeitsbedingungen in den Schulen sorgen und die Einstellungsverfahren professionell gestalten. Wichtig wäre aus Sicht der Partei DIE LINKE. Sachsen eine bessere Orientierung der Lehramtsstudierenden auf die benötigen Fächerkombinationen ohne dabei Zwang auszuüben.
Dem Lehrer*innenmangel in den Bundesländern abzuhelfen, versucht die Politik im Wettbewerb unter den Bundesländern. In diesem Wettbewerb gibt es stets Gewinner und Verlierer. Ein bundesweit koordiniertes Vorgehen gegen den Lehrer*innenmangel wäre sinnvoller und im Interesse aller Länder. Dafür braucht es eine Initiative auf Bundesebene.
Frage 4: Vorrede: Der Freistaat, vertreten durch das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit & Verkehr, strebt an, zum Schuljahr 2020/21 ein Bildungsticket für Schülerinnen und Schüler einzuführen. Unterstützt Ihre Partei das Projekt Bildungsticket, falls ja, welche Eckdaten (Gültigkeit, Preis etc.) schweben Ihrer Partei vor?
Richtigstellung: Die Staatsregierung wird das von ihr lange versprochene Bildungsticket für ganz Sachsen nicht einführen bzw. gibt es dazu keinerlei Informationen. Was sie nach den Sommerferien einführt ist ein Azubiticket, welches pro Monat 48€ kosten wird und nur in dem jeweiligen Verkehrsverbund gültig ist. Die Nutzung in anderen Verkehrsverbünden kann gegen Aufpreis hinzugebucht werden.
Unser Gegenvorschlag: Wir wollen ein landesweites, günstiges Azubi- und Ausbildungsticket sowie eine unentgeltliche Schüler*innenbeförderung. In der aktuellen Legislatur forderten wir dafür einen Ticketpreis von 10€ pro Monat. Davon würden bei uns z. B. auch die Freiwilligendienstleistenden (FÖJ, FSJ, BufDi, FdaG …) profitieren.
Frage 5: Vorrede: Sachsen zählt zu den wenigen Bundesländern, die seit jeher strikt am gegliederten Schulsystem (lernen in der Grundschule in den Klassestufen 1–4; anschließend lernen an Oberschule/Gymnasium in neuen Klassenverbänden) festhalten. Befürwortet Ihre Partei ein längeres gemeinsames Lernen bzw. einen späteren Wechsel der Schüler auf die weiterführende Schule? Wenn ja, in welcher Form möchte Ihre Partei dies umsetzen?
DIE LINKE. Sachsen unterstützt die aus der Bevölkerung kommende Initiative für die Einführung einer Gemeinschaftsschule in Sachsen in optionaler Form mindestens bis zur Klasse 8. Nachdem im neuen Schulgesetz keine Regelung zum längeren gemeinsamen Lernen getroffen worden ist – gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung -, ist es an der Zeit, auf außerparlamentarischem Weg für die Einführung der Gemeinschaftsschule zu kämpfen. Wir wissen, dass die Bildungspolitik in den Augen der Bürgerinnen und Bürger einen besonders hohen Stellenwert hat, was die Verbesserung der Lebensverhältnisse betrifft. Wir wissen auch, dass eine klare Mehrheit der sächsischen Bevölkerung die Einführung von Gemeinschaftsschulen in Sachsen befürwortet. Das geht aus einer von der Landtagsfraktion DIE LINKE in Auftrag gegebenen repräsentativen Bevölkerungsbefragung hervor.
Sachsen würde mit der Gemeinschaftsschule ein Modernisierungsdefizit beseitigen und den international üblichen Standard erreichen. Andere Staaten haben das gegliederte Schulwesen längst durch „integrierte Systeme“ ersetzt. Die meisten Staaten arbeiten erst ab der Sekundarstufe II mit Formen der äußeren Differenzierung. Sie schneiden deswegen in internationalen Vergleichsstudien weitaus besser ab. Den Einwand, dass eine individuelle Förderung durch ein längeres gemeinsames Lernen verhindert werde, widerlegt die Praxis in den anderen Ländern.
In Sachsen selbst gibt es bereits zwei Schulen, die das längere gemeinsame Lernen mit großem Erfolg praktizieren – das Chemnitzer Schulmodell und die Nachbarschaftsschule Leipzig (NaSch). Beide arbeiten mit einem besonderen pädagogischen Konzept. Es handelt sich um Gemeinschaftsschulen, in denen nach reformpädagogischen Grundsätzen unterrichtet und gelernt wird. Dazu zählen u.a. altersgemischte Klassenstufen, fächerverbindender Unterricht, Wochenplanarbeit u.a.m. Die wissenschaftliche Begleitung der Schule bescheinigt der NaSch eine gute Arbeit.
Frage 6: Möchte Ihre Partei die demokratische Mitbestimmung an den Schulen (Schülervertretung, Elternvertretung, Schulkonferenz) stärken, wenn ja, durch welche Maßnahmen?
DIE LINKE. Sachsen befürwortet, die Mitwirkungsrechte und –praktiken von Schülerinnen und Schülern zu stärken. Die Schule ist kein politikfreier Raum, auch keine bloße Unterrichtsschule. Und die politische Bildung ist keine bloß curriculare Angelegenheit. Allgemein empfiehlt es sich, repräsentative Mitwirkungsstrukturen nicht nur auf ein Schulparlament auszuweiten, das neben Schulleitung, Lehrer*innen, Schüler*innen, Eltern, auch evtl. zivilgesellschaftliche Partner einschließt, sondern sie um weitreichende Strukturen demokratischer Mitsprache und aktiver Mitgestaltung zu erweitern und diese zu einem Gesamtbild der Schule als ein demokratisches Gemeinwesen zu vernetzen.
Von der Unterrichtsschule unterscheidet sich die demokratische Schule nicht allein der Organisationsform nach, ihr liegt auch ein anderes Bildungsverständnis zugrunde als das einer Unterrichtsschule. In einer demokratischen Schule sollen Heranwachsende in einem verkleinerten, überschaubaren und institutionell geschützten Rahmen die Erfahrung des Bürger*innenhandelns machen können, das auf Selbstbestimmung, Verantwortungsübernahme und Verständigung beruht. Zur Weiterentwicklung der Schule zu einem demokratisch strukturierten Lern- und Lebensraum strebt DIE LINKE. Sachsen u.a. die folgenden Maßnahmen an:
- Demokratie als Strukturprinzip des Unterrichts in Formen kooperativen und selbständigen Lernens verankern, bei denen die Lehrer*innen weniger als Wissensvermittler*innen und weitaus mehr als Lernbegleiter*innen und Moderator*innen fungieren;
- Projektwochen zu schulinternen oder schulexternen politischen Themen zu initiieren;
- Schulen für Jugendverbände und zivilgesellschaftliche Institutionen zu öffnen und
- Schülerinnen und Schüler mittels geeigneter Maßnahmen an die Schüler*innenmitwirkung heranzuführen und dafür zu qualifizieren.