Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachsen e.V.
# Mit welchen landespolitischen Maßnahmen soll die Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachsen gefördert und weiterentwickelt werden?
Die Kultur- und Kreativwirtschaft stellt für uns nicht nur einen Wirtschaftsfaktor dar, sondern sie ist auf unterschiedlichen Ebenen – z.B. gesellschaftlich und politisch – ein wichtiger Impulsgeber. Der Kunst- und Kreativarbeitsmarkt ist zum Vorreiter für neue Arbeitsmodelle geworden. Trotzdem liegen in einigen Bereichen die Einkommen der Kunst- und Kreativwirtschaftler*innen oftmals unter dem Existenzminimum.
Hier muss Politik handeln. Wir wollen die Verwendung öffentlicher Gelder an soziale Mindeststandards koppeln. Wir fordern eine Erhöhung und Dynamisierung der Kulturraummittel, die Einführung von Mindesthonoraren, Kleinstförderungen sowie einer Gastspielförderung in allen Sparten.
(Solo-)Selbstständige müssen im Sozialversicherungssystem angemessen berücksichtigt werden. Existenzgründerprogramme, Beratungsangebote, vorhandene Fördermöglichkeiten sowie die Mittelstandspolitik müssen weg von der Betrachtungsweise der klassischen Industriepolitik und präziser auf die speziellen Anforderungen von Klein- und Kleinstunternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet werden. Dies kann nur gemeinsam mit den Akteuren der Kunst- und Kreativwirtschaft und ihrer Vertreter*innen erreicht werden.
Grundsätzlich begrüßen wir, dass, wie von uns seit längerem gefordert, nun mehr Geld für die Kultur zur Verfügung steht, also auch für die Kultur- und Kreativschaffenden und aktuell der Zweite sächsische Kultur- und Kreativwirtschaftsbericht erscheint. Dieser soll in Zukunft regelmäßig erstellt werden.
# Welche Rolle misst Ihre Partei branchenübergreifenden Kooperationen bei, um Innovationen im Freistaat zu fördern? Welche Bedeutung hat dabei für Sie die Kultur- und Kreativwirtschaft?
Zukunftsorientierte digitalisierte Arbeitsformen und neue Geschäftsmodelle sind in der Kultur- und Kreativwirtschaft alltäglich. Die KKW hat eine impulsgebende Rolle, z.B. in den Bereichen der Digitalisierung, Vernetzung und Nutzung moderner Technologien, welche auch für andere Branchen als Ansatz für innovative Lösungen und Arbeitsweisen genutzt werden können. Deshalb sind für uns branchenübergreifende Kooperationen wünschenswert und förderlich. Besonders die Teilmärkte Design, Software/Games und Werbemarkt bieten hierfür ein hohes Potential. Das Arbeiten wird zunehmend flexibilisiert, projekt- und kompetenzbasierter und lösungsorientierter. Prozesse werden neu gedacht. Diese Potentiale, besonders auch für nicht-technische Innovationen, müssen gezielt gefördert werden.
# Welche Rolle spielt die Kultur- und Kreativwirtschaft für Ihre Partei bei der Gestaltung des Strukturwandels, insbesondere in der Oberlausitz und im Mitteldeutschen Revier?
Der Strukturwandel in der Oberlausitz und im Mitteldeutschen Revier stellt eine große Herausforderung dar. Der für uns zentrale Punkt hierbei ist immer die Lebensqualität für die Anwohner*innen und Besucher*innen.
Aus unserer Sicht sind vor allem die Kreativwirtschaft und der Tourismus wichtige Eckpfeiler für die Umgestaltung strukturschwacher Räume.
Was es dafür braucht, ist eine gute Infrastruktur in allen Bereichen, von Straßen, über Schulen, Theater und natürlich auch Breitbandanschlüsse. Und gerade die Kultur- und Kreativwirtschaft hat das Potential durch ihre Diversität und hohe Innovationskraft, branchenübergreifend, einen wichtigen Beitrag zu den regionalen Wachstumschancen, zum Strukturwandel in den jeweiligen Regionen zu liefern. Das funktioniert aber nur, wenn man Menschen dazu ermutigt „aufs flache Land“ zu ziehen oder dort zu bleiben und ihnen hier ein gutes Leben ermöglicht. Gerade für die Kommunen kann es dabei auch in der Stadtentwicklung sehr förderlich sein, innovative Potentiale der Kultur- und Kreativwirtschaft zu nutzen und bewusst auf kleine Manufakturen, Kunsthandwerk u.a. zu setzen.
Wir wollen für die Lausitz das Pilotprojekt eines personell, räumlich und zeitlich begrenzten Grundeinkommens starten. Damit wollen wir – insbesondere im Kultur- und Bildungsbereich – eine zusätzliche Chance eröffnen, auch ungewöhnliche Ideen auszuprobieren und zur Projektreife zu führen.
# Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen, um einerseits dem Mangel an Räumen für kulturelles und kreatives Schaffen in den urbanen Zentren und andererseits dem Leerstand in den kleineren Städten und ländlichen Räumen zu begegnen?
Kultur- und Kreativwirtschaft muss als entscheidender Standortfaktor begriffen werden, denn dort wo ein lebendiges kulturelles und kreatives Angebot existiert, nehmen die Attraktivität der Region und die Lebensqualität zu. Deshalb ist es wichtig, den Kunst- und Kulturschaffenden Freiräume zu ermöglichen und anzubieten. In den urbanen Zentren mangelt es an solchen Räumen, hier müssen z.B. Künstlerhäuser und Ateliers politisch mitgedacht, gefördert und unterstützt und Freiräume vorgehalten werden.
Kommunen und Freistaat sollen ihre Liegenschaften nach Nutzungsmöglichkeiten prüfen, z.B. als Nachnutzung von staatlichen Immobilien. Die Kommunen in den urbanen Zentren sind in die Lage zu versetzen, Vorkaufsrechte zum Erhalt von Künstler- und Atelierhäusern auszuüben.
Die nur unter ökonomischen Gesichtspunkten geführte Liegenschaftspolitik ist zu Gunsten von Gesellschaft und Kultur neu auszurichten. Die Erhebung einer Kulturabgabe bei Immobiliengeschäften muss den Kommunen ermöglicht werden.
Gleichzeitig ist die Nutzung des Leerstandes in den ländlichen Gebieten von Kreativen aus den urbanen Zentren zu fördern. Hierfür sind Atelierbeauftragte als Anlauf- und Vermittlungsstelle einzusetzen.
# Wie steht Ihre Partei zur Einführung einer eigenständigen, substantiellen Förderung der Musikwirtschaft und der Designwirtschaft in Sachsen? Wie könnte diese Förderung aussehen?
Die bisherigen Fördermodelle müssen hinsichtlich ihrer Wirkung und des Verwaltungsverfahrens bzw. ‑aufwandes geprüft werden. In einem kulturpolitischen Dialog möchten wir gemeinsam mit allen Akteuren klären, wie sich die Gesamtsituation der Kulturförderung darstellt und welche Schlussfolgerungen für eine eventuelle eigenständige Förderung Einzelner gezogen werden können.
Kulturschaffende und ihre Branchen dürfen nicht gegeneinander „ausgespielt“ werden.
# In einigen Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft ist der Anteil an Frauen besonders hoch. Gleichzeitig liegt der Gender Pay Gap z.T. erheblich über dem in der Gesamtwirtschaft. Welchen Handlungsbedarf sieht Ihre Partei an dieser Stelle?
Frauen im Kultur- und Kreativbereich verdienen durchschnittlich deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen, arbeiten häufiger als Selbstständige, sind öfter von Arbeitslosigkeit betroffen und können ihre Altersversorgung seltener aus ihrer Tätigkeit bestreiten. Das durchschnittliche Einkommen der Frauen, die in der KSK versichert sind, lag 2016 bei ca. 81% des Einkommens der männlichen Kollegen. Es bedarf dringend eines Kulturwandels in Verbänden, Unternehmen und Einrichtungen, denn Chancengleichheit kann hier maßgeblich von den Führungsebenen mit initiiert und durchgesetzt werden. Aus unserer Sicht sind Mindesthonorare ohne Unterscheidung nach Geschlecht zu zahlen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durchzusetzen.
# In welcher Höhe setzt Ihre Partei den Haushaltstitel „Kultur- und Kreativwirtschaft“ für den nächsten Doppelhaushalt an?
Wir werden die Finanzierung u.a. für das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft weiterhin sicherstellen. Die Struktur der Förderung ist, wie bereits oben erwähnt, gemeinsam mit den Akteuren aus der Kultur- und Kreativwirtschaft weiter zu entwickeln und den aktuellen Bedingungen anzupassen. Daraus resultieren zum Schluss auch die Förderhöhen in den einzelnen zutreffenden Haushaltstiteln.
# Die in der Regel durch die Sächsische Aufbaubank ausgereichten Fördermittel des Freistaates Sachsen sollen grundsätzlich allen Branchen offen stehen. De facto jedoch werden die kleinteilig strukturierten (vor allem als Soloselbständige oder Kleinstunternehmen organisierten) Kultur- und Kreativwirtschaftsunternehmen durch komplizierte und insbesondere nicht digitalisierte Antragsverfahren benachteiligt. Wie wird Ihre Partei den aktuell hohen Verwaltungsaufwand sowohl für den Fördermittelgeber als auch die AntragstellerInnen minimieren?
Auch hier gilt es, die Bedürfnisse der Akteure ernst zunehmen und gemeinsam Richtlinien zu entwickeln um diese für Antragssteller*innen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft zu öffnen.
Dabei können ausdifferenziertere Förderkriterien, die Abschaffung des Eigenanteils und Positivkriterien für Anträge die Antragsstellung und ‑bearbeitung erleichtern.
Mehrere Fristen zur Antragsmöglichkeit können die Anzahl der gestellten Anträge besser auf das Jahr verteilen. Ebenso führen Kleinprojektefonds mit vereinfachten Förderkriterien zur schnelleren Förderentscheidung und Mittelvergabe. Außerdem müssen selbstverständlich alle Förderanträge auch digital auszufüllen und einzureichen sein. Als Beispiel könnte man hier das vereinfachte Verfahren der Steuererklärung hernehmen.
Anträge auf Fördermittel müssen, je nach Umfang der Fördersumme, innerhalb von vier, sechs oder acht Wochen, bearbeitet und entschieden werden. Erfolgt dies nicht, gelten die Anträge automatisch als bewilligt. Dafür muss man aber die Verwaltung insgesamt modernisieren und, wenn nötig auch ausbauen, um hier überhaupt die Kapazitäten zu haben, das dann auch zu gewährleisten.
# Aktuell vorhandene Förderinstrumente des Freistaats tragen neuartigen, insbesondere digitalen Geschäftsmodellen in der Kultur- und Kreativwirtschaft nur wenig Rechnung. Auch außenwirtschaftlich relevante Präsentationsformate wie Festivals und Konferenzen sind derzeit nicht förderfähig. Wie beabsichtigt Ihre Partei, diesem Defizit zu begegnen?
Das Fehlen der Fördermöglichkeit von Konferenzen und Festivals ist natürlich komplett unsinnig. Wenn sich Sachsens Ministerien z.B. auf Messen als „Kulturland Nummer eins“ feiern, für Auslandsreisen, Konferenzen, etc. im Landeshaushalt Gelder bereit gestellt werden und Akquirierungsprozesse für Unternehmen förderfähig sind, muss dies auch für Präsentationsformate der Kunstschaffenden gelten.
Es gibt in einem rein marktwirtschaftlich gedachten Kontext überhaupt keinen Unterschied zwischen einer Messe oder einem Festival.
Wirtschaftsförderung muss immer im Blick haben, wie sich Zielgruppen der jeweiligen Unternehmen gestalten und darf dann nicht starr agieren, nach dem Motto „das haben wir immer so gemacht“. Förderrichtlinien und Gesetze müssen modernisiert werden und der Lebenswirklichkeit in Kultur und Wirtschaft entsprechen.
# Welche Möglichkeiten sieht Ihre Partei für den Aufbau eines Think Tank, um die potentiale der Kultur- und Kreativwirtschaft als Innovationstreiber für wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse, insbesondere für den für den Wissenstransfer aus Institutionen der Forschung und Entwicklung, besser als bisher zu nutzen?
Vernetzung, gesellschaftliche Positionierung und politische Einflussnahme im positiven Sinne werden zukünftig von immer zentralerer Bedeutung sein.
Kultur- und Kreativschaffende verfügen unbestritten über ein großes Knowhow, welches für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen eingebunden werden sollte. Durch die Bildung von Clustern und Netzwerken mit forschenden und produzierenden Unternehmen und Einrichtungen sowie weiteren regionalen Akteuren wird der Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaftsunternehmen der Region befördert. Dabei können Forschungsergebnisse praxisnah umgesetzt werden.
Hier sind Rahmenbedingungen zu schaffen, auf deren Grundlage dann auch überregionale Zusammenarbeit vereinfacht werden kann. Branchenübergreifende Kooperationen zwischen Kreativen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Unternehmen und Kulturverbänden sind unbedingt zu unterstützen.
Dazu ist es unbedingt nötig, in der Förderpolitik zum Beispiel in bestimmten Bereichen von zivilgesellschaftlichem Interesse nicht mehr zwischen Forschung und Wirtschaft zu unterscheiden.
# Welche Position vertritt Ihre Partei im Hinblick auf die derzeitige Debatte zur Novellierung des EU-Urheberrechts, insbesondere zu den Regelungen aus Artikel 13?
Die LINKE hat sich deutlich gegen diese „Reform“ positioniert. Die Interessen der Kreativen sind zwischen den verschiedenen Verwertungsinteressen ebenso zerrieben worden wie die der Nutzerinnen und Nutzer. Abgearbeitet wurden vor allem die Wunschlisten der Verlage und Verwertungsgesellschaften, z.B. beim Leistungsschutz und bei Urheberverträgen. Das vorgegebene Ziel, Kreative an den Einnahmen von Plattformen zu beteiligen, wurde nicht erreicht. Nichts in der Richtlinie führt dazu, dass Kreative gerechter an den Erlösen beteiligt werden. Es geht nicht um eine direkte Vergütung von Kreativen, sondern um mehr Geld für Verlage und Verwertungsgesellschaften. Was diese dann weiter geben, ist völlig offen und muss wieder hart verhandelt werden.
# Die schlechte bis sehr schlechte digitale Infrastruktur (schnelles Internet, schnelles Funknetz) in den ländlichen Räumen (aber auch in Teilen der Städte) ist für die Kultur- und Kreativwirtschaft ein Standortnachteil. Welche Maßnahmen sieht Ihre Partei vor, um den digitalen Wandel voranzutreiben?
Das die Situation so ist wie sie ist, hat auch mit Versäumnissen der sächsischen Landespolitik zu tun. Zum einen wurde über Jahre hinweg (damals noch von CDU und FDP in der Staatsregierung) ausschließlich auf den freien Markt gesetzt. Das benachteiligte von vornherein Regionen mit betriebswirtschaftlich gesehen mangelhafter Nachfrage (sprich Regionen mit sowieso schon schwacher Infrastruktur und weite Teile des ländlichen Raumes). Aktuell wird mit viel Steuergeld nachgebessert. Allerdings verschlafen wir derzeit bereits die nächste Welle der digitalen Infrastruktur. Beim 5G-Netz setzt auch die jetzige Staatsregierung (CDU und SPD) wieder auf den freien Markt, so dass Sachsen voraussichtlich in 5 Jahren wieder die gleiche rote Laterne haben wird wie vor 5 Jahren.
Wir schlagen daher die Gründung einer Landesinfrastrukturgesellschaft für den Ausbau der digitalen Infrastruktur vor. Andere Bundesländer und Regionen, z.B. Bayern und Niederösterreich, haben diese bereits. Eine solche Gesellschaft soll mit öffentlichen Geldern gezielt in unterversorgten Gebieten digitale Infrastruktur errichten. Diese wird dann gegen Gebühr an private Betreiber vermietet, womit die Ausgaben (zumindest zum Großteil) wieder eingespielt werden. Zusätzlich bleibt die Infrastruktur in öffentlicher Hand, was wir als Linke wie auch für Energienetze, Wasserversorgung, Straßen und Schienen ja auch fordern.
Nicht nur der technische Ausbau prägt den digitalen Wandel der Gesellschaft, sondern auch die Digitalisierung des täglichen Lebens. Für uns muss der Mensch immer im Mittelpunkt stehen, deshalb hat die soziale und demokratische Gestaltung des digitalen Wandels hohe Priorität. Dennoch: Bildung kommt nicht allein nur vom Bildschirm.