Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Naturschutzbund Sachsen (NABU)
1. Biologische Vielfalt
Antwort: Die sächsische Landesregierung betreibt aus unserer Sicht keine moderne Umweltschutzpolitik. Das betrifft alle Schutzgüter: Biologische Vielfalt, Wasser, Boden, Luft. Die Nachhaltigkeitsstrategie Sachsen ist wohlklingend, aber leider absolut unkonkret oder gibt kaum abrechenbare und überprüfbare Ziele vor. Deswegen bliebt sie als Handlungsvorgabe unzureichend. Ähnliches ist über den „Bericht und Maßnahmenplan zum Programm, Biologische Vielfalt 2020´“ zu sagen. Stattdessen nehmen die Artenvielfalt, die genetische Vielfalt und die Vielfalt des Ökosystems weiter ab. Diese eingetretenen Schäden betreffen die Nutzungs- und Funktionsfähigkeit des gesamten Naturhaushaltes und damit uns alle unmittelbar. Dennoch gibt es unter anderem keine Maßnahmenpakete für Vogelschutzgebiete in Umsetzung der europäischen NATURA2000-Richtlinie, es gibt keine funktionierende Biotopverbünde, es gibt keinen Plan, um das Insektensterben einzudämmen und vieles mehr.
Dies wollen wir ändern. Wir streben Naturschutz in der Fläche an. Hierfür setzen wir auf die kleinteiligere Bewirtschaftung und den Schutz vieler unterschiedlicher Kulturarten sowie die Erweiterung der Fruchtfolgen. Dies bedeutet auch eine konsequente Zielerreichung in Nationalparks und Naturschutzgebieten, den Erhalt von Stadtnatur sowie den Ausbau von
Biotopverbünden und eines weiteren Biosphärenreservates in Sachsen. Wir wollen Großschutzgebiete der Verwaltung von Sachsenforst entziehen und stattdessen die betreffenden Gebiete zur Verbesserung der Schutzgebietsverwaltung unter Aufsicht der obersten Naturschutzbehörde stellen[1]. Zudem wollen wir eine nachhaltige Landwirtschaft fördern, also auch bestäuberfreundliche Praktiken in der Fläche, Agrarumweltmaßnahmen und Agrarschutzprogramme sowie Blühstreifen in Städten und Dörfern ausbauen. Wir wollen ein Programm zur Wiederbegrünung und Renaturierung von Gemeindeflächen im Freistaat landespolitisch und finanziell unterstützen und fordern die Rücknahme des „Baum-ab-Gesetzes“, wodurch zahlreiche Bäume ohne Ersatz gefällt wurden.
Eine nachhaltige Agrarwirtschaft geht einher mit einer gesunden Umwelt, denn weniger Gift und dafür strukturreiche Äcker und Feldraine oder ein klimawandelfester Wald bieten Lebensraum für zahlreiche, oftmals bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Konflikte im Zusammenleben mit geschützten tierischen Rückkehrern wie Wolf, Reiher oder Biber müssen wir aushalten lernen, unter anderem durch verstärkte Aufklärung der Bevölkerung, durch die Wiederentdeckung längst vergessener Kulturtechniken, wie dem wirksamen Schutz von Weidetieren, aber natürlich auch durch einen finanziellen Ausgleich von Mehraufwand und Schaden für Nutztierhalter*innen. Mit der LINKEN wird es eine Weidetierprämie für Schafe, Ziegen aber auch Rinder geben.
Wir streben einen Umbau zu ökologisch stabilen, naturnahen und strukturreichen Mischwäldern in Sachsen an. Der Staatsbetrieb Sachsenforst muss diesen Umbau auf den eigenen Staatswaldflächen konsequent umsetzen, aber auch Privatwaldbesitzer durch Beratung und Wissenstransfer dabei unterstützen. Artenreiche Wildtierbestände gehören für uns zu einem gesunden Wald. Waldumbau und Wildtierbejagung müssen dabei in einem gesunden Verhältnis zueinanderstehen. Kurzfristige betriebswirtschaftliche Interessen dürfen in einem so komplexen Ökosystem nicht handlungsleitend sein. Der Anteil von Waldflächen, die von der wirtschaftlichen Nutzung ausgeschlossen sind, soll weiter erhöht werden. Privatwaldbesitzer sollen für Naturschutzleistungen, wie zum Beispiel ein höherer Totholzanteil, belohnt werden.
2. Wasserrahmenrichtlinie
Antwort: Wir setzen uns für eine konsequente Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ein. Der dramatische ökologische Zustand sächsischer Gewässer ist die Folge falscher Prioritätensetzung der Staatsregierung. Etwa als das Land per Gesetz alle Besitzer von Kleinkläranlagen verpflichtet habe, diese auf den aktuellen technischen Stand zu bringen, um die Umweltbelastungen zu senken.
Bereits seit vielen Jahren weisen wir auf den Umstand hin, dass das größte Minderungspotential für Nährstoffeinträge beispielweise von Stickstoff bei der Landwirtschaft liegt[2]. Trotzdem zielte die Novelle des Wassergesetzes nicht auf die größeren Verursacher ab, sondern der Zwangsanschluss der Kleinkläranlagen wurde verschärft vorangetrieben. Ebenso fahrlässig wurde jahrelang die europäische Nitratrichtlinie im Bund und in Sachsen nicht umgesetzt und erst unter Druck und spät das Düngegesetz und die dazugehörende Düngemittelverordnung novelliert.
Wir kritisieren außerdem das sächsische Gewässerunterhaltsunterstützungsgesetz, da durch dieses fortan auf fachliche Vorgaben und insbesondere auf Gewässerunterhaltungspläne verzichtet werden soll. Das widerspricht der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, in der geordert wird, den guten chemischen und ökologischen Zustandes der Gewässer verstärkt in den Blick zu nehmen[3].
3. Landwirtschaft
Antwort: Wir wollen eine strukturreiche, vielfältige Landwirtschaft mit einer ausgewogenen Verteilung von Tierhaltungsbetrieben, die sich vor allem an regionalen Wirtschaftskreisläufen orientiert. Die Agrarpolitik muss sich künftig noch stärker am Klima‑, Umwelt- und Tierschutz ausrichten und eigenständige Beiträge zum Klimaschutz, zum Erhalt der biologischen Vielfalt, zur Pflege von Kulturlandschaften und fairen globalen Handelsbeziehungen leisten. Öffentliche Förderungen sollten unserer Meinung nach stets dem Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistung“ folgen. Für die Landwirtschaft heißt dies, dass ausschließlich Bewirtschaftungs-Maßnahmen unterstützt werden, die Artenvielfalt, Gewässer‑, Tier und Klimaschutz fördern und auch die sozialen Fragen nicht außer Acht lassen[4]. Eine Landwirtschaft, die nicht nur auf Monokulturen, sondern auf eine Anbaudiversifizierung setzt, trägt nicht nur zu mehr Biodiversität bei, sondern ist auch weniger krisenanfällig bei Extremwetterereignissen. Vor allem aber braucht es eine bodengebundene Tierhaltung, die ausreichend Fläche für die Futtererzeugung und die Gülleausbringung berücksichtigt. Der Ökolandbau setzt diese Anforderungen am konsequentesten um und wird deshalb durch uns besonders gefördert. Die fachliche Beratung zur Umstellung – auch von Teilflächen – bauen wir aus.
Wir wollen wir den Mineraldünger- aber auch den Pflanzenschutzmitteleinsatz auf den Feldern verringern[5] und den Einsatz von Glyphosat in Sachsen verbieten – auf privaten, staatlichen, kommunalen bis hin zu landwirtschaftlichen Flächen. Moderne boden- sowie ressourcenschonende Techniken wollen wir fördern und das Anbaumanagement optimieren, beispielsweise um Wasser zu sparen, die Bodenverdichtung zu reduzieren oder den Humusaufbau zu fördern.
4. Flächenverbrauch
Antwort: Wir setzen uns für die Verringerung des Flächenziels der Bodenversiegelung von derzeit vier auf zwei Hektar pro Tag sachsenweit ein. Den Flächenverbrauch durch Verkehr, Siedlungsbau oder Rohstoffgewinnung wollen wir durch Flächenrecycling bzw. Brachflächenrevitalisierung, der Verringerung der Flächenneuinanspruchnahme und der Steuerung von naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen deutlich zurückzuführen. Die Gegenmaßnahmen reichen unserer Meinung nach von der Anpassung der Straßenbaustrategie – Studien zeigen, dass das sächsische Straßennetz überdimensioniert ist – bis hin zu flächengleichen Entsiegelungsmaßnahmen im Falle eines Eingriffes in Landwirtschaftsflächen. Zudem wollen wir die weitere Bebauung in Überschwemmungsgebieten verhindern.
5. Nachhaltige Umweltbildung
Umweltbildung fängt bei uns schon in der Schule an, am besten mit einer Verankerung im Schulgesetz. Wir brauchen in Sachsen mehr Instrumente, um Menschen für Naturschutz zu begeistern und zu unterstützen Streuobstwiesen anzulegen und zu pflegen, Totholz im Wald zu belassen und dort weniger „aufzuräumen“, Feldhecken und Biotopverbindungselemente nicht als „Bewirtschaftungshindernisse“ zu empfinden oder auch eine kleine Nasswiese mit der Sense zu mähen. Naturschutzstationen können eines dieser Instrumente sein, aber auf keinen Fall das Einzige. Unsere Aufgabe als Opposition (bisher und in Zukunft) ist es die Effektivität und Effizienz dieses Instrumentes zu überprüfen – auch aufgrund der geschilderten Entwicklungen bei der Förderung – und ggf. ein Umsteuern einzufordern.
[1] Siehe hierzu etwa unseren „Gesetzentwurf zur Neuordnung der Schutzgebietsverwaltung im Freistaat Sachsen“ (Drucksache 6/9993) mit dem dazugehörigen gemeinsamen Änderungsantrag mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 6/17377)
[2] Erhellend war hier die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jana Pinka in der vergangenen Legislaturperiode (Drucksache 5/12090). Von damals je zehn Tonnen eingetragenem Stickstoff, die in Sachsen reduziert werden können, stammten allein sieben Tonnen aus der Landwirtschaft. Nur drei Tonnen aus dem Siedlungswasser.
[3] Siehe hierzu beispielsweise unseren Antrag zur „Änderung des Sächsischen Wassergesetzes“ im Rahmen der Haushaltsverhandlungen 2019/2020 (Drucksache 6/15852).
[4] Siehe hierzu beispielsweise unseren Antrag „Biene, Schmetterling und Co.: Lebensräume für Insekten auch in Sachsen schaffen, erhalten und schützen“ (Drucksache 6/17170).
[5] Siehe hierzu beispielsweise unsere Anträge „Ursachen des Insektensterbens in Sachsen untersuchen und Gegenmaßnahmen in die Wege leiten“ (Drucksache 6/11500) sowie den gemeinsamen Antrag mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Einsatz von Pflanzenschutzmitteln insbesondere mit den Wirkstoffen Clomazone und Glyphosat stärker reglementieren und Auswirkungen weiter erforschen“ (Drucksache 6/2666).