Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Serbske Nowiny
1. Wie werten sie die Anstrengungen des Serbski sejm (Initiative für ein sorbisches Parlament) um eine Mit- und Selbstbestimmung der Sorben sowie eine Kultur- und Bildungsautonomie der Sorben?
Die sorbische Kultur- und Bildungsautonomie ist unser Leitbild bei der solidarischen Begleitung der Angelegenheiten der Sorbinnen und Sorben. Seit der im Jahr 2001 gegen breiten Protest vom damaligen CDU-Kultusminister Rößler durchgesetzten Schließung der sorbischen Mittelschule Crostwitz, die leider nicht das letzte Opfer der CDU-Schulschließungspolitik auch im Sorbenland blieb, steht das Thema wirkungsvollerer Mit- und Selbstbestimmung auf der Tagesordnung. Der Träger solcher Autonomie sollte aber die sorbische Zivilgesellschaft sein. Ob die Schaffung neuer Gremien, die bisher offenkundig nur eine Minderheit der Minderheit repräsentieren, die Wirkmächtigkeit sorbischer Selbstvertretung erhöht, müssen die Sorbinnen und Sorben selbst entscheiden. Mir steht es nicht zu, mich da einzumischen. Unsere erste Ansprechpartnerin ist die Domowina.
2. Der Sächsische Landtag hat am 3. Juli die 2. Maßnahmen plan der Sächsischen Staatsregierung zur Ermutigung und zur Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache beschlossen. Wie wollen Sie und ihre Partei zur Umsetzung des Planes beitrage, was haben sie sich als Aufgaben dazu gestellt?
Für uns steht die Förderung und Entwicklung sorbischer Sprachräume im Mittelpunkt. Daher ist das sorbische Plakat im Rahmen unser Wahl-Kampagne bewusst gewählt: „Rumy za rěč“. Der Ansatz dieser Maßnahmenpläne ist zweifellos begrüßenswert. Es fehlt allerdings bis heute eine ehrliche und selbstkritische Bilanz, was der erste Maßnahmenplan von 2013 unterm Strich effektiv und konkret für die sorbische Sprache gebracht hat. Das Schlüsselthema ist aus meiner Sicht die staatliche Unterstützung der selbstbewussten Anwendung der sorbischen Sprache im öffentlichen Raum, und zwar im Stil des offensiven Ermöglichens. Dazu gehört z.B. die Finanzierung von simultaner Übersetzung, damit in Gremien und Versammlungen Menschen ganz selbstverständlich sorbisch reden können, ohne dass daran Anstoß genommen wird.
3. In der vergangenen Legislaturperiode ist es nicht dazu gekommen, das Sächsische Sorben-Gesetz zu novellieren. Ist es aus ihrer und der Sicht ihrer Partei notwendig dieses Gesetzt zu erneuern?
Wir sehen abseits einer solchen Gesetzesnovelle praktischen Nachbesserungsbedarf im Bildungsbereich in punkto Rahmenbedingungen für die Sprachvermittlung: Damit jedes Klassenzimmer an sorbischen Schulen auch ein sorbischer Sprachraum ist und sich möglichst viele Menschen in der Lausitz und, wo wie in Dresden gewünscht, anderswo diese Sprache von Kindesbeinen an aneignen können. Wir möchten dabei Gesprächs- und Kooperationspartner sein. Die zweite große Baustelle ist für mich der Strukturwandel im Rahmen des Kohleausstiegs, bei dem explizite sorbische Interessen bisher unterbelichtet sind, weshalb wir noch vor der Sommerpause mit einem entsprechenden Antrag an den Landtag Druck machten. Wo und wie das Sorbengesetz mit welchem konkreten Nutzen geändert werden sollte – darüber ist die Diskussion bei uns noch nicht abgeschlossen.
4. Was hat ihre Partei getan um sorbische Kandidaten zu gewinnen?
Wir haben ja in unserer Partei eine Reihe von Landesarbeitsgemeinschaften, die verschiedene Interessen und Themen besonders artikulieren. Es ist gut, dass dazu die „Sorbische Linke“ gehört, deren Engagement ich persönlich sehr schätze. Dass wir eine basisdemokratisch organisierte Partei sind, spiegelt sich auch in der Kandidatengewinnung wider. Die Landespartei hat die „Vorwahl“ der „Sorbischen Linken“ auch materiell unterstützt. Der in ihrem Ergebnis empfohlene Kandidat hat allerdings leider nicht mal das Votum des eigenen Kreisverbandes Bautzen erhalten. Wir haben als Partei aus historischer Erfahrung eine „Erneuerungsquote“. Wenn ein Kandidat 18 Jahre Abgeordneter war, liegen die Hürden hoch. Das Ergebnis bedauere ich und werde, falls ich wieder Fraktionsvorsitzender sein sollte, das Sorbische zur Chefsache machen.
5. Wo welcher Stelle sehen sie Sachsen bei der Anwendung Europäischer Minderheitenrechte?
Der Erfolg der Europäischen Bürgerinitiative „Minority SafePack“, die ich persönlich unterstützt habe, war ein wichtiger Meilenstein der Minderheitenpolitik in der EU. Mit ihrem Beitrag zu dieser breiten internationalen Basisbewegung hat auch der sorbische Dachverband Domowina unter Beweis gestellt, dass er die Instrumente der Interessenvertretung in Zeiten der grenzenlosen Vernetzung beherrscht. Sachsen steht im internationalen Vergleich nicht schlecht da, hat aber noch Reserven. Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gibt dem Land genug Hausaufgaben. Nur ein Beispiel: Gerade sorbische Handwerksbetriebe leisten für lokale Sprachräume Unermessliches. Die Vermittlung des sorbischen Fachwortschatzes an die Auszubildenden bedarf aber echter Rückendeckung durch die allgemeine Berufsbildung.
6. Welche Bedeutung gestehen sie Sorben bei der weiteren Entwicklung Sachsens zu?
Unsere drei sächsischen Metropolen haben wie unzählige weitere Orte Namen sorbischen Ursprungs: Drježdźany, Lipsk, Kamjenica. Wenn eine Partei dafür kämpft, dass „Sachsen deutsch bleiben“ soll, ist das Landesverrat. Sachsen ist von Haus aus sorbisch. Insofern könnte man die Frage launig umdrehen: Welche Bedeutung wird den Deutschen bei der weiteren Entwicklung Sachsens zugestanden? Ich sehe nicht, dass der Schulunterricht überall (!) in Sachsen die Schülerschaft angemessen vertieft und ausführlich über diese historisch gewachsene Bedeutung des Sorbischen informiert. Das muss sich ändern. Die Sorbinnen und Sorben spielen in meiner Vision der „Republik Europa“ eine Schlüsselrolle: Ihre slawische Heimat ist größer als unser Bundesland im Herzen Europas – sie werden mit uns die Grenzen niederreißen, die manche wieder zu errichten versuchen.