Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Social Impact gGmbH
- Potenzielle Gründer*innen können ohne einen finanziellen Zuschuss zur Sicherung des Lebensunterhaltes eine Geschäftsgründung nicht vorbereiten. Wie steht Ihre Partei zu der Forderung, dass alle Gründungspotenziale ausgeschöpft werden müssen und potenzielle Gründer*innen eine finanzielle Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in der Gründungsphase erhalten sollten?
Die Gründungsförderung in Sachsen werden wir auf die Unterstützung forschungs- und wissensbasierter, zukunftsorientierter Produkte und Dienstleistungen konzentrieren bzw. umstellen. Dabei soll ein Großteil der Wertschöpfung auch tatsächlich vor Ort stattfinden. Start-Up-Unternehmen aus Praxis und Wissenschaft wird öffentliches Risikokapital zur Verfügung gestellt und in Form von stillen Beteiligungen ausgestaltet.
- Ein nachhaltiger Gründungserfolg ist abhängig von einer engen Begleitung des Vor- und Nach-Gründungsprozesses durch qualifizierte Berater*innen. Solche Gründungsqualifizierungs- und Beratungsangebote müssen in einer ausgeprägten Gründerinfrastruktur eingebettet sein. Wie planen Sie Gründer*innen in Deutschland einen gleichberechtigten Zugang zu Gründungsunterstützungsleistungen zu ermöglichen?
Dienstleistungen der Technologie- und Gründerzentren wollen wir stärker spezialisieren und attraktiver ausgestalten. Dabei soll klarer zwischen Technologiegründungszentren einerseits und Gewerbegründungszentren andererseits unterschieden werden. Für kleine und mittelständische Unternehmen wollen wir darüber hinaus Innovationsgutscheine ausgeben.
- Gerade für Alleinerziehende kommen Gründungen, v.a. auch Nebenerwerbsgründungen als Alternative zu anderen Formen der Beschäftigung vermehrt in Frage. Hierauf sind Qualifizierungs- und Finanzierungsleistungen nicht ausgerichtet. Welchen Stellenwert messen Sie der Förderung von gründungswilligen Alleinerziehenden in Ihrem aktuellen Parteiprogramm bei?
Alleinerziehende sind nahezu ausschließlich Frauen. Über die von uns anvisierte finanzielle Gründungsunterstützung hinaus werden wir innovative Unternehmungsgründungen von Frauen besonders fördern.
- Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Nebenerwerbsgründungen zu erleichtern?
Faire Löhne schaffen den nötigen Spielraum, um selbstbestimmt und frei über nebenerwerbliche Tätigkeiten nachdenken und ggf. Unternehmen zu gründen zu können. Wir stehen dafür, Sachsens Charakter als Billiglohnland zu überwinden. Wir fordern einen höheren Mindestlohn und bessere Tarifverträge. Zudem wollen wir die soziale Absicherung von Soloselbständigen fördern, die oft auch im „Start up-affinen“ Digitalmarkt tätig sind. Wir wollen alle Selbständigen in alle sozialen Sicherungssysteme aufnehmen. Das kann durchaus dazu beitragen, dass diese Spielräume für größere unternehmerische Schritte bekommen.
- Migranten*innen weisen eine relativ hohe Gründungsaktivität auf. Unternehmensgründungen von Migranten*innen tragen nachweislich nicht nur zur regionalen Wirtschaftsbelebung bei, sondern sie leisten auch einen wichtigen Integrationsbeitrag. Gründer*innen mit Migrationshintergrund stehen in der Gründungsphase vor besonderen Herausforderungen aber es gibt nur wenige spezifische Beratungs- und Unterstützungsangebote. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, die Unterstützungs- und Beratungsleistungen für Gründer*innen mit Migrationshintergrund zu verbessern? Wie stehen Sie dazu, §21 Aufenthaltsgesetz zu reformieren und die jeweiligen Verwaltungsvorschriften anzupassen?
In Sachsen werden Menschen auf Grund ihrer Herkunft oder Hautfarbe offen auf der Straße angefeindet, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist weit verbreitet. Wel-come Center in Universitäten oder Rathäusern, Stipendien und spezielle Forschungs- und Gründungsinfrastruktur können das nicht wettmachen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass es in Sachsen eine Willkommenskultur für alle Menschen braucht, unabhängig ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder ihrer unternehmerischen Talente etc. Unsere Vorschläge für mehr Demokratie, Vielfalt und sozialen Zusammenhalt würden auch positive Effekte für das „Willkommen fühlen“ von Migrant*innen haben.
Darüber hinaus haben wir in unserem Wahlprogramm Vorschläge vorgelegt, die aus-ländischen Arbeitskräften bessere (Zugangs-)Bedingungen für den deutschen Ar-beitsmarkt erlauben und die interkulturelle Kompetenz der Sächsinnen und Sachsen fördern. Wir gehen davon aus, dass deren Umsetzung den Weg für mehr Unternehmensgründungen für Migrant*innen in Sachsen ebnet. Im Folgenden eine Auswahl:
- europaweite Mindeststandards für die Arbeitnehmerfreizügigkeit
- stärkere Kooperation im Drei-Länder-Eck Deutschland-Tschechien-Polen, u.a. institutionelle Unterstützung
- Ausbau des ÖPNV-Netzes und der Bildungsprojekte mit Polen und Tschechien
- Mehrsprachigkeit in Kitas und Schulen
- Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Schul‑, Berufs- und Hoch-schulabschlüssen in der Europäischen Union.
- Das Gründungspotenzial älterer Menschen wird bisher kaum genutzt. Durch eine zielgruppengerechte Unterstützung wird ein wichtiger Beitrag zur Vitalisierung von Wirtschaftsprozessen, zur Bekämpfung von Altersarmut und zur Sicherung der Nahversorgung, insbesondere in ländlichen Regionen, gewährleistet. Wird sich Ihre Partei für eine Gründungsunterstützung von älteren Menschen einsetzen? Welche Maßnahmen ergreift Ihre Partei, um die Gründungsunterstützung dieser Zielgruppe voranzutreiben?
Viele, auch heute noch arbeitende Menschen sind von Armut im Alter betroffen bzw. bedroht. Als Gegenmaßnahme für diese Entwicklung steht für uns dabei nicht die Gründungsförderung für ältere Menschen, sondern die Einführung einer Mindestrente für alle in Höhe von mindestens 1.050 Euro (Initiative über Bundesrat. Außerdem muss der Ost-Rentenwert schneller alsr 2025 an den des Westens angeglichen werden und das im Rentenüberleitungsgesetz und Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz verursachte Rentenunrecht muss beseitigt werden. Dadurch würden ggf. sogar Gründungspotenziale für ältere Menschen freigesetzt werden, da deren Sorgen um die Existenzsicherung dann abgemildert sind.
- Frauen weisen ein hohes Gründungspotenzial auf, welches noch nicht ausgenutzt ist. Zusätzlich wird ihnen der Weg in die Selbständigkeit erschwert, da viele Gründerinnen einer „doppelten Diskriminierung“ durch zusätzliche Merkmale wie Migrationshintergrund oder Alter ausgesetzt sind. Das Bild von weiblichen Gründerinnen und Unternehmerinnen muss in der Gesellschaft gestärkt werden. Damit Frauen den Weg in die Selbständigkeit wählen und sie während des Gründungsprozess passgenau unterstützt werden, bedarf es spezifischer Gründungsprogramme und Unterstützungsmaßnahmen. Welche Maßnahmen plant Ihre Partei zu ergreifen, um Frauen den Weg in die Selbständigkeit zu erleichtern und sie während des Gründungsprozesses zu unterstützen?
Wir werden innovative Unternehmungsgründungen von Frauen in Sachsen besonders fördern. Darüber hinaus wollen wir auf übergeordneter Ebene eine strategisch-politische Förderung der Bleibechancen von gut ausgebildeten Frauen im ländlichen Raum erreichen. Denn junge, gut ausgebildete Frauen verlassen immer noch zu einem sehr großen Teil den ländlichen Raum (vgl. Studie des TRAWOS-Institut). Dadurch entsteht eine gesellschaftliche und arbeitsmarktpolitische, aber auch eine unternehmerische Lücke.
- Viele schwerbehinderte Menschen benötigen einen speziell auf die Bedürfnisse ihrer Behinderung eingerichteten Arbeitsplatz, brauchen mehr Ruhephasen oder eine besondere Prozessorganisation. Der Weg in die Selbstständigkeit stellt für viele Menschen mit Schwerbehinderung die einzige Möglichkeit zur Teilnahme am Arbeitsmarkt dar. Bisher existiert nur eine begrenzte Anzahl von Einrichtungen, die sich der Gründungsunterstützung von schwerbehinderten Menschen annehmen. Der Aufbau eines Gründungsunterstützungsangebots für Menschen mit Behinderung stellt einen wichtigen Beitrag zur Inklusion und zur Vervielfältigung der Gründungslandschaft dar. Wie beabsichtigt Ihre Partei die Gründungsunterstützung von Menschen mit Schwerbehinderung zu fördern?
Einen deutlichen Schub für die berufliche Entwicklung von Menschen mit Behinderung, inklusive Gründungsinitiativen, versprechen wir uns insbesondere durch ein inklusives Ausbildungssystem. Dafür sind an den Berufsschulen die räumlichen und personellen Bedingungen zu schaffen. Das arbeitsmarktpolitische Instrument der assistierten Ausbildung unterstützt Arbeitgeber*innen bei der Ausbildung und ermöglicht auch Jugendlichen mit Behinderung, Benachteiligung und Lernschwierigkeiten, eine vollwertige duale Ausbildung wahrzunehmen. Dieses Instrument werden wir in Sachsen stärker bewerben und umsetzen.
- Gründungen finden vornehmlich in urbanen Räumen statt. Die Gründungsneigung in ländlichen Räumen ist wenig ausgeprägt. Gleichzeitig bestehen in vielen ländlichen Räumen Versorgungsengpässe und Bewohner*innen müssen weite Wege auf sich nehmen, um ihre Nachfrage decken zu können. Um Menschen in ländlichen Regionen für eine Gründung zu aktivieren, bedarf es passender Unterstützungsleistungen in ländlichen Räumen. Welche Maßnahmen müssen Ihrer Auffassung nach ergriffen werden, um die Gründungsaktivitäten in ländlichen Regionen zu verbessern? Welche Maßnahmen planen Sie, in der kommenden Zeit umzusetzen?
Wir wollen Sachsen und all seinen Regionen eine selbst tragende Wirtschaftsentwicklung ermöglichen. Dazu wollen wir die Binnenwirtschaft sowie regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Wir warten nicht auf Großinvestitionen von außerhalb Sachsens, sondern wollen Potentiale im Freistaat identifizieren und intelligent fördern.
Um die Lebensqualität und die Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern, sehen wir folgende Vorhaben als erfolgreich oder sogar als zwingende Voraussetzung für die „Aktivierung von Gründungen“ an:
- Ausbau des ÖPNV: Die Organisation des ÖPNV werden wir für die Kommunen zur Pflichtaufgabe machen, u.a. durch eine vorgegebene Taktfrequenz. Wir werden das Tarifwirrwarr im ÖPNV beenden und unter anderem ein landesweites günstiges Azubi- und Ausbildungsticket einführen. Wir wollen den Ausbau des Schienennetzes und dessen Modernisierung und Elektrifizierung vorantreiben, unter anderem durch die schnelle Elektrifizierung der Bahnstrecken Dresden-Bautzen-Görlitz-Polen, Leipzig-Chemnitz, Leipzig-Grimma sowie eine S‑Bahn-Verbindung von Dresden nach Hoyerswerda und die Wiedererrichtung der Strecke Hoyerswerda-Bautzen.
- Guter Zugang zu digitaler Infrastruktur: Das Breitbandkompetenzzentrum Sachsen wollen wir von einer Beratungsstelle zu einer Landesgesellschaft für digitale Infrastruktur als Servicestelle für die Kommunen in Sachen Breitbandausbau und Schaffung digitaler Infrastruktur weiterentwickeln, welche für die Kommunen die Beantragung von Fördermitteln, insbesondere im Hinblick auf notwendige Machbarkeits- und Marktstudien, sowie Koordinations- und Infrastrukturaufgaben übernimmt.
- Fachkräftesicherung durch Daseinsvorsorge: Wir werden ein Förderprogramm „Fachkräftesicherung“ auflegen. So wollen wir kleine und mittelständische Unternehmen und Gründungswillige genauso wie sächsische Kommunen bei der Entwicklung von Arbeits‑, Lern- und Lebensbedingungen unterstützen, um Fachkräfte im Freistaat zu halten bzw. nach Sachsen zu holen. Dazu gehören beispielsweise Projekte für lernförderliche Arbeitsbedingungen in den Unternehmen und familienfreundliche Infrastrukturen in den Kommunen.
- Verbleib gut qualifizierter Frauen: Junge, gut ausgebildete Frauen verlassen immer noch zu einem sehr großen Teil den ländlichen Raum (vgl. Studie des TRAWOS-Institut). Deshalb wollen wir auf übergeordneter Ebene eine strategisch-politische Förderung der Bleibechancen von gut ausgebildeten Frauen im ländlichen Raum erreichen.
10. Die Übernahme eines Unternehmens stellt eine besondere Chance für Gründer*innen dar. Es bedarf jedoch einer professionalisierten Prozessbegleitung, um die mit einer Unternehmensübernahme zusammenhängenden Risiken zu reduzieren. Gibt es in Ihrer Partei konkrete Vorschläge, wie die große Lücke in der Unternehmensnachfolge geschlossen werden kann?
Landeszentral wie regional wollen wir Kontakt- und Informationsangebote bspw. durch Nachfolgebörsen gemeinsam mit den Kammern und Verbänden etablieren und finanzielle Unterstützungsangebote zur Bewältigung besonderer Lasten bei der Unternehmensnachfolge unterbreiten.
Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, welche die Übernahme unternehmerischer Verantwortung begünstigen. Dazu zählen Mut und Risikobereitschaft, die Freude, selbst eigenmächtig aktiv zu werden, aber auch Kreativität, um Neues zu denken und zu versuchen. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Faktoren in Sachsen besser zum Tragen kommen.
- Zum Beispiel darf es nicht länger ein Manko (Risiko), sein faire Löhne zu zahlen. Deshalb fordern wir eine faire Vergabe (vgl. Drs 6/13914) öffentlicher Aufträge in Sachsen ein, bei der „gute“ Unternehmen belohnt und nicht (wie jetzt noch zu oft) benachteiligt werden.
- Ebenfalls hilfreich für eine gute unternehmerische Perspektive und Freude am Wirtschaften sind für uns der Abbau der Förder-Bürokratie und die Fachkräftesicherung (z.B. durch ein Förderprogramm).
- Die Bereitschaft für mehr Verantwortung im Unternehmen kann aus unserer Sicht heute nur gesteigert werden, wenn Fragen der Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit betrachtet werden, insbesondere im ländlichen Raum. Warum sollte die Unternehmensnachfolge angetreten werden, wenn schon absehbar ist, dass es zu Lasten von Familie etc. geht? Deshalb setzen wir uns für familienfreundliche Infrastrukturen in den Kommunen ein, für einen Bildungsurlaub (vgl. Drs 6/9883) in Sachsen, für eine stärkere Förderung von jungen Frauen im ländlichen Raum.
- Und wie steht es mit der Kreativität, um unternehmerisch aktiv zu werden? Das fängt aus unserer Sicht bei Kita und Schule an. Ein guter Betreuungsschlüssel bzw. die Beseitigung des Erzieher- und Pädagogen-Mangels, Mehrsprachigkeit (insbes. Polnisch und Tschechisch), fächer- und themenübergreifender Unterricht, die Wiederherstellung eines adäquaten Ethik‑, Musik‑, Kunst‑, aber auch Sportunterrichts und natürlich die Einführung einer Gemeinschaftsschule in Sachsen, die Vielfältigkeit zusammen bringt und gestaltet, anstatt zu trennen.