Bild von der 2. Tagung des 15. Landesparteitages. Zu sehen sind Delegierte.
DIE LINKE. Sachsen

Aufbruch 2020 – Beschluss des Landesparteitages

Aufbruch 2020: Für eine kämpferische und selbstbewusste sächsische LINKE in einer Umbruchsituation des Landes

1. Zur Krise der Partei und ihren Ursachen

Vor nunmehr 10 Jahren erreichte DIE LINKE bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag 11,9% der Stimmen. Über 5,1 Millionen Menschen entschieden sich damals für unsere Partei. Dieses Ergebnis konnten wir weder 2013 noch 2017 wieder erreichen. Die jeweils letzten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen endeten für DIE LINKE mit den schlechtesten Resultaten seit einem Jahrzehnt, das Gleiche gilt für die Europawahlen. Ausnahmen bilden in dieser Kette lediglich die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie Thüringen und Hessen. In den anderen Bundesländern konnten wir die 5%-Hürde nicht überwinden. Mit den Wahlniederlagen bei den Kommunal- und Europawahlen im Mai 2019 und der Landtagswahl am 1. September ist deutlich, dass die Zukunft der LINKEN als gesellschaftlich bedeutsame sozialistische Partei stark gefährdet ist. Die schon seit dem Wahlzyklus 2008/2009 voranschreitende Krise ist nunmehr existenziell. Das bezeugt nicht nur die Angleichung an die Wahlergebnisse von 1990 bzw. 2002 – dem Ausscheiden der damaligen PDS aus dem Bundestag –, zumal soziodemografische Ressourcen der Nachwendezeit und Jahrtausendwende heute nicht mehr zur Verfügung stehen. Noch dramatischer ist die Tatsache, dass bei wichtigen Teilen unserer Wähler*innenschaft und Zielgruppen – z.B. Arbeiter*innen, Arbeitslose und Prekarisierte – rechte Kräfte inzwischen mehrfach stärker sind als wir. Darüber hinaus vertieft sich der Graben der Wahlergebnisse zwischen Stadt und Land, bei letzterem sind wir faktisch nur noch einstellig.

Um diese Entwicklung der LINKEN in Deutschland und in Sachsen richtig zu beurteilen, ist es notwendig, die Veränderungen der gesellschaftspolitischen Lage nicht nur hier, sondern auch in unseren Nachbarländern und darüber hinaus in einer globalisierten Welt ins Auge zu fassen. An jedem Ende der Welt sind Prozesse zu beobachten, die auf eine Stärkung rechter politischer Kräfte in der jeweiligen regionalen Spielart hinauslaufen. Die bekanntesten Beispiele dafür sind vielleicht Trump und Bolsonaro, genannt seien jedoch auch Duterte auf den Philippinen, die Wahlerfolge der BJP in Indien, von Orbán in Ungarn und der PiS in Polen. Darüber hinaus werden rechte Parteien auch da stärker, wo sie (noch) nicht Regierungsmacht erreichen. Der Bedeutungszuwachs nationalistischer, konservativer, teilweise religiös motivierter Ideologien, die einer (vermeintlich) althergebrachten Lebensweise, kultureller Homogenität und der Ablehnung alles Fremden das Wort reden, muss als eine Reaktion auf die neoliberale Globalisierungspolitik der letzten Jahrzehnte verstanden werden. Ob im „Rostgürtel“ der USA oder im indischen Gujarat, der Rückgriff auf aggressiven Nationalismus ist weltweit zu beobachten. Linken Parteien ist es in diesem Zusammenhang nur selten gelungen, wirkungsvolle Gegenmachtstrategien zu entwickeln. Parteien mit verschiedenen linken Traditionslinien (von kommunistisch bis demokratisch-sozialistisch) schrumpfen oder sind ganz von der Bildfläche verschwunden, mit großen Hoffnungen verbundene Neugründungen erfüllen diese bisher noch nicht.

Die gesellschaftspolitische Linke steht vor der Herausforderung, in der Auseinandersetzung zwischen der Politik der neoliberalen Globalisierung und ihrer nationalistisch-reaktionären Gegnerinnen ihre eigene gesellschaftliche Wirkungsmacht zu bewahren und wieder zu stärken.

Die Ursachen für den beschleunigten Niedergangsprozess der LINKEN auf Bundes- und Landesebene sind vielfältig und sowohl objektiver Natur als auch zu weiten Teilen hausgemacht. Deshalb begrüßen wir, dass der Parteivorstand unserer Partei mit der Einberufung einer Strategiekonferenz endlich den überfälligen Schritt zu einer breiten strategischen Debatte in unserer Partei gemacht hat. Wir erwarten, dass diese ergebnisoffen und auf Augenhöhe zwischen allen, die sich daran beteiligen wollen, geführt wird. Auch in unserem Landesverband gibt es zur Analyse der Ursachen unserer Krise vielfältige, manchmal einander widersprechende und zum Teil gegensätzliche Positionen. Wir unterstützen daher diese Aufgabe mit der ganzen Vielfalt an Positionen aus unserem Landesverband und beteiligen uns an der Erarbeitung einer politischen Strategie, mit der die LINKE als dem demokratischen Sozialismus verpflichtete Partei (Erfurter Programm) ihre gesellschaftspolitische Rolle erhalten und ausbauen kann.

Das Spektrum der Positionen zur Krise der LINKEN kann mit den folgenden Beispielen beschrieben werden:

  1. „DIE LINKE verwandelte sich in den Augen vieler Menschen in eine Partei des Establishments und wurde damit den anderen Parteien immer ähnlicher. Als kämpferische Stimme des Protestes gegen den Kapitalismus, als Kümmererpartei und als Interessenvertreterin der Ostdeutschen wird sie von der großen Mehrheit der Bevölkerung kaum noch wahrgenommen. Hinsichtlich ihrer Gesellschaftsstrategie ist sie vor allem auf Regierungsbeteiligung fixiert und gerät damit in eine Glaubwürdigkeitskrise. Der Partei fehlt in der praktischen Politik eine überzeugende Gegenmachtstrategie, die Systemfrage stellt sie kaum noch. Sie verwechselt permanent die Machtfrage mit der Regierungsfrage. Die meisten Eckpunkte bundesdeutscher Staatsräson akzeptiert sie vollständig oder zumindest teilweise. Darüber hinaus lähmen massive Flügelkämpfe auf allen Ebenen die Partei, das gilt auch für Sachsen, dem mitgliedermäßig zweitstärksten Landesverband. Dadurch nehmen große Teile der Bevölkerung auch linke Parteien nur noch als »Apparate zum Kampf um die politische Macht« wahr, die »mit völlig entsolidarisierenden Verhaltensweisen und Praktiken in ihrem Inneren die Menschen abstoßen.« (Klaus Dörre)“
  2. „Wir haben verloren, weil wir unsere Funktion in einer Gesellschaft im Umbruch nicht erklären konnten. Wir haben Vertrauen von Wähler*innen verloren, weil nicht erkennbar wurde, was originär linke Antworten auf die Bewältigung der wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben sind. Dass man uns die Ostkompetenz (noch) zuschreibt, bestätigt, dass nicht alles falsch gelaufen ist. Dass man uns das Ökologische (noch) nicht zuschreibt, ist erklärbar. Dass man aber ausgerechnet beim Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus meint, denen die Stimme geben zu müssen, die ihr besonderes Erstarken in Sachsen erst ermöglicht haben, ist besonders bitter.

Im ehrlichen Bemühen, durch ausdifferenzierte Zwischenpositionen in allen Politikbereichen allen gerecht zu werden, hat die Linke ihre grundlegende systemische Kapitalismuskritik allmählich vernachlässigt und damit ihr Alleinstellungsmerkmal im Parteiensystem aufgegeben. Sie wirkt häufig inhaltlich zerrissen und zerfetzt sich phasenweise im Innern stärker, als es ihr gelingt, nach außen Themen zu setzen. Auch die Vielzahl an thematisch kleinteiligen Pressemitteilungen und nicht selten technokratischen Anträgen im Landtag können kein klares Gesamtbild einer politisch linken Kraft entwerfen. Die LINKE Sachsen ist mehr als die Summe ihrer Parlamentarier*innen. Aber was wir darüber hinaus sind, konnten wir nicht vermitteln.“

  1. „Wir haben verloren, weil wir auf die großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart keine oder nur unzureichende linke Antworten entwickelt haben. Wir haben bisher nicht ausreichend wirkungsvoll unseren Beitrag geleistet für eine ‚wieder erstarkende politische Kultur, die Konflikte austrägt über verschiedene mögliche Antworten auf die großen Fragen bzw. Verunsicherungen, um deren Bedeutung »alle« irgendwie »wissen«: Demografie und regionale Ungleichheit, Digitalisierung, Klimakatastrophe und Wachstum, Migration und Transnationalisierung sowie die Möglichkeiten europäischer und globaler Kooperation in Zeiten wachsender Nationalisierung. Repräsentieren heißt nicht widerzuspiegeln, sondern Vorschläge zu machen, wohin und nach welchen Regeln sich Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln sollen; Vorschläge, hinter denen sich unterschiedliche Teile eines sozial heterogenen »Volkes« versammeln kön An den »großen Verunsicherungen« können, das zeigt der Aufschwung für antidemokratische, autoritäre Bewegungen und Parteien, demokratische Systeme scheitern, Parteien erodieren oder gar verschwinden, bestehende Parteien sich erneuern oder neue entstehen.‘ (Horst Kahrs)“

2. Zur politischen Situation in Sachsen und der Lage der LINKEN

Die bundesweite gesellschaftliche Rechtsentwicklung ist in Sachsen am weitesten fortgeschritten, wie nicht nur die Wahlergebnisse der AfD seit 2014 unter Beweis stellen. Das rechte und konservative Parteienspektrum umfasst mindestens 60 Prozent der Wählerschaft, während die Mitte-Links-Parteien von weniger als 30 Prozent der Menschen gewählt werden. Ob der bisherige autoritäre Kurs der CDU durch eine Kenia-Koalition mit einer schrumpfenden SPD und regierungswilligen Grünen gestoppt wird, ist fraglich. Die politische Rechtsentwicklung wird durch starke Stimmungen in der Bevölkerung (siehe Sachsen-Monitor) gestützt, die einer völkischen Revolte weiterhin Vorschub leisten könnten.

Die sächsische LINKE steht als nunmehr kleinste Oppositionspartei parlamentarisch vor erheblichen Herausforderungen. Die fast drei Mal so große AfD-Fraktion droht künftig als der rechte Gegenspieler zur Regierung öffentlich wahrgenommen werden, linke Alternativen dürften hingegen kaum noch reflektiert werden. Noch dramatischer ist die Situation in den kommunalen Parlamenten, wo wir zwischen einem Drittel bis zur Hälfte der Mandate verloren haben und oftmals rechtskonservativen Mehrheiten gegenüber stehen. Mit den Stimmenverlusten auf allen Ebenen sind massive materielle Verluste und Ressourceneinbußen verbunden.

Der radikale landespolitische Positionswechsel der LINKEN von der – abonniert gewesen scheinenden – größten zur kleinsten Oppositionspartei im Landtag muss mit wirkungsvoller programmatischer Arbeit, gesellschaftlicher Mobilisierung und einem Bemühen um tragfähige Bündnisse kompensiert werden; die bisherige gesellschaftliche Verankerung, der Kontakt zu Multiplikator*innen, muss zwingend erhalten und nach Möglichkeit wieder ausgebaut werden.

Erschwerend für die Oppositionsrolle der LINKEN im neuen Landtag wirkt jedoch, dass die Fraktion nicht nur quantitativ drastisch geschrumpft ist – was sich schwierig genug auswirken wird –, sondern diese Schrumpfung zu unvermeidlichem Verlusten individueller Kompetenz auf strategischen Politikfeldern (Bildung, Finanzen, Landesentwicklung, Recht, Sicherheit usw.) geführt hat. So sehr die parlamentarische LINKE in vergangenen Krisensituationen auch geschrumpft war, so konnte sie sich in komplizierten Aufholprozessen in zentralen Feldern auf die Fachkompetenz ihrer Fraktion stützen. Von dieser breit gefächerten Kompetenz ist nunmehr viel verloren gegangen; mit geringerer Personalstärke muss sie erst wieder aufgebaut und erworben werden. Diese strategische, wenn nicht überlebensnotwendige Herausforderung kann nach Lage der Dinge nur mit einem starken Landesvorstand gelingen, der in Programmatik, Kommunikationsgeschick und Kompetenzausstrahlung klar erkennbar, als Flaggschiff des praktisch-politischen Diskurses gefragt und als Kraftzentrum gesellschaftsnaher Debatten und Kämpfe geachtet sein muss und im Zusammenspiel mit der Fraktion in Erscheinung tritt.

3. Schlussfolgerungen für unsere politische Arbeit, Kommunikation und Sprache

Eine LINKE als Partei des demokratischen Sozialismus, die diese Bezeichnung wirklich verdient, steht nicht nur in Opposition zu den Regierenden, sondern zum Kapitalismus und der herrschenden Klasse sowie zur Zerstörung von Natur und Umwelt durch die gegenwärtige Wirtschaftsordnung.

Der Kapitalismus produziert und manifestiert nicht nur in Deutschland nach wie vor Ungleichheit und Armut. Die kapitalistische Landnahme geht dabei nicht nur in der analogen Welt weiter: Wo einst „nur“ immer weitere Naturräume und Lebenszeit unter das Regime kapitalistischer Produktionsweise  gestellt worden sind, die Logik des Profits auf nahezu alle Bereiche des öffentlichen organisierten Zusammenlebens ausgeweitet worden ist, fressen sich nunmehr einige wenige Tech-Giganten bis in die Gedankenwelt und die persönlichsten Lebensbereiche vor. Bei Fortschreiten dieser Entwicklung werden die Gedanken zukünftig nicht mehr frei, sondern gleichsam Privatbesitz von Facebook, Google, Amazon & Co sein.

Dabei könnte technischer Fortschritt für unsere Demokratie, unsere Gesundheitsversorgung, unsere Fortbewegung und die Produktion notwendiger Gebrauchsgüter von großem Wert sein. Doch der konkrete Nutzen eines Produktes hängt von Produktionsbedingungen und Einsatzzweck ab. Für DIE LINKE muss es darum gehen, Infrastruktur und technische Innovationen den Fängen der Profitlogik zu entziehen und in den Dienst der Menschen zu stellen. Den gesellschaftlichen und technischen Fortschritt aktiv zu gestalten, heißt für uns, ihn nicht dem Markt zu überlassen.

Wir brauchen auf dieser Grundlage in unserer Partei im Bund und in Sachsen eine linke Strategiedebatte, in deren Mittelpunkt die Ausarbeitung eines landespolitischen Konzepts des gesellschaftlichen Kampfes für eine „revolutionärer Realpolitik“ (Rosa Luxemburg) und damit ein geschärftes Oppositionsprofil stehen muss. In der Strategiedebatte sollten wir auf die dringlichen Empfehlungen des leider viel zu früh verstorbenen Michael Chrapa zurückgreifen, die er 2002 der PDS zur Überwindung ihrer damaligen Krise gab:

Entscheidend sei die strikte Hinwendung der Partei zur Realität. Dazu gehören

  • die realistische Einschätzung der gesellschaftlichen, politischen und Alltagskräfteverhältnisse,
  • das Verständnis, nach welchen Mechanismen Veränderungen in der Gesellschaft ablaufen,
  • die Kenntnis, was die PDS tatsächlich verändern kann und was derzeit nicht.

Strategiedebatten mit dieser Aufgabenstellung, sachlich, fair und in gegenseitigem Respekt geführt, sind Grundbedingungen für die Ableitung überzeugender politischer Konzepte und Aufgaben und damit auch für eine erfolgreiche Entwicklung unserer Partei.

Eckpunkte eines zu erarbeitenden politischen Konzepts müssen neben dem Erhalt unserer Kernkompetenz bei der sozialen Frage, dem Ausbau unserer ökologischen Kompetenz, die Aufklärung über die gesellschaftlichen Zustände im Freistaat, die breite Mobilisierung für substantielle Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung und im Kampf gegen Diskriminierung jedweder Art, das Ausschöpfen des demokratischen Potentials von Oppositionspolitik sowie der jeweils spezifische Kampf um soziale und politische Verbesserungen in der Kommunal- und Landespolitik. Den eingeschlagenen Weg, die direkten und verbindlichen Mitbestimmungs- und Entscheidungsmöglichkeiten in solchen Fragen auszubauen, wollen wir festigen. Wir alle sind dafür verantwortlich, dass Debatten unserer Partei in einem für alle nutzbringenden und für niemanden schädlichen Rahmen geführt werden. Dazu gehört auch, dass entscheidend sein sollte, was gesagt wird und nicht, wer etwas sagt. Antragsdebatten sollten weniger ritualisierten Abläufen und symbolischen Abstimmungen über Schlagworte folgen, sondern der Diskussion konkreter Vorschläge, Projekte und Alternativen dienen.

Dabei müssen wir darauf achten, dass wir sowohl den Menschen in den Groß- und Mittelzentren, als auch den Menschen außerhalb dieser Städte ein konkretes, tragfähiges  Angebot machen, dass für sie zwingend mit uns verbindbar ist. Unsere Wählerinnen und Wähler sind verschieden – und waren es schon immer. Das trifft ebenso auf unsere Mitgliedschaft zu, die unterschiedlichen Generationen, Berufen und auch politischen Traditionslinien entstammt. Die einen engagieren sich in Vereinen/Initiativen/Bürgerplattformen, andere in den Gewerkschaften oder antifaschistischen Basisinitiativen – manche besonders Umtriebige auch in den drei genannten gleichzeitig. Alle diese Formen des Engagements haben nicht nur ihre Berechtigung, sie sind für eine Verbindung unserer Partei in andere Teile der Gesellschaft und zur Verbreitung unserer Positionen notwendig.

Thematisch kann dabei an die Schwerpunkte der Mitgliederbefragung zur Landtagswahl 2019 und den leider abgebrochenen ALEKSA-Prozess angeknüpft werden. Wir sollten uns neben der sozialen Frage insbesondere auf wenige ausgewählte Themen fokussieren, die kampagnengeeignet sind und mit denen wir wirkmächtig politische, gewerkschaftliche und geistig-kultureller Gegenmacht aufbauen können, wie z.B. den Kampf für ein weltoffenes Sachsen; Bekämpfung der Armut und Prekarisierung; bezahlbares Wohnen; Bildung für alle; Stopp dem Klimawandel und Frieden mit Russland, in Europa, und der Welt.

Dabei ist stets zu bedenken, dass sich die Kraft zu Veränderungen nicht hauptsächlich aus parteipolitischen Bündnissen, sondern aus der Gesellschaft speist. Insofern muss die sächsische LINKE ihre verbleibenden Ressourcen stärker als bisher auf die außerparlamentarische Arbeit lenken und wieder verstärkt als Kümmererpartei für sozial Benachteiligte, aber auch für weitere Betroffene der neoliberalen Radikalität (lohnabhängig Beschäftigte, Selbstständige, Freiberufler*innen etc.) agieren. Der Rückgriff auf diese Rolle genügt als Kraftquell für einen neuen Aufstieg im Parteienspektrum allerdings nicht mehr. Die Erfahrungswelt der Menschen in Sachsen ist nach drei Jahrzehnten Bundesrepublik vielgestaltiger und kenntnisreicher als in den ersten Jahren nach 1990. Es ist deshalb notwendig, das Selbstverständnis der LINKEN als Kümmerer, wo immer dies weiterhin erforderlich ist, durch einen selbstbewussten Auftritt als Ermuntererin, als Partnerin und organisatorische Unterstützerin zu ergänzen.

Die Krise der LINKEN hat auch mit unserer Sprache und unserer innerparteilichen Kommunikation zu tun. Hier bestehende Defizite haben zu kulturellen Entfremdungsprozessen der LINKEN gegenüber lohnabhängig Beschäftigten, sozial Benachteiligten und Unterprivilegierten beigetragen. Wir müssen in unseren Reden und Texten weg von einem oft gepflegten akademischen Dialekt bzw. von einem Soziologendeutsch und hin zu einem Sprachduktus, der anschlussfähig ist an die Alltagserfahrungen vieler Menschen. Halten wir es in diesem Sinne mit dem Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer: „Ich wünsche mir deshalb eine Linke, die den Slogan ‚Jeder, der heut noch eine Schaufel trägt / wird nur von uns nicht abgesägt’ in die Reste der Arbeiterschaft trägt und ihn dort, wo sich die Chance bietet, radikal einlöst.“

4. Strukturelle und organisatorische Konsequenzen für eine Neuaufstellung

Alle Vorschläge und Aktivitäten für eine Neuaufstellung der sächsischen LINKEN müssen bedenken, dass die Stimmungslage nach dem 1. September im Landesverband sehr ambivalent ist. Relevante Teile in der Mitgliedschaft, darunter insbesondere ältere Genossinnen und Genossen in den ländlichen Räumen, resignieren und sind mutlos; es besteht die Gefahr, dass sie sich ins Private zurückziehen. Dadurch brechen bei einer ohnehin schon überalterten Basis wesentliche Strukturen in der Fläche weg, es fehlen Personal, Finanzen und räumliche Begegnungsmöglichkeiten. Die Arbeitsfähigkeit mehrerer Kreisverbände ist in Frage gestellt.

Der neue Landesvorstand steht vor der enormen Herausforderung, hier baldmöglichst einen Stimmungsumschwung herbeizuführen. Dabei müssen viele verschiedene Wege gegangen werden, darunter eine ehrliche Fehler- und Defizitanalyse der letzten Jahre, die deutlich Stärkung wirksamere politische Nutzung des innerparteilichen Pluralismus, tatsächliche Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Basis, die erneute Berufung der Kommission für Politische Bildung, die Wiederbelebung und Aufwertung der Grundsatzkommission, die bessere Einbeziehung der Landesweiten Zusammenschlüsse, viel Präsenz vor Ort usw.

Der regelrechte Riss quer durch Sachsen in der Großstadt-Umland-Dimension und damit nahezu zwangsläufig des Wähler*innenverhaltens wird in gewisser Weise dadurch überbrückt, dass eine große Zahl von Berufs- und Ausbildungspendler*innen fast jeden Tag in beiden Welten der davongeeilten Städte und des vernachlässigten ländlichen Raums zuhause ist. Aus diesem Spannungsverhältnis und seinem unabweisbaren Handlungsbedarf muss eine überzeugende Strategie aufgebaut werden, wie neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter angesprochen bzw. gewonnen werden können.

Insgesamt muss sich der Landesverband als eine „lernende Organisation“ begreifen, in der Veränderungen als normal akzeptiert werden. Dafür ist eine entsprechende Organisationskultur notwendig, die über organisatorische Mechanismen des Lernens verfügt.

Der Landesvorstand muss von der Erkenntnis ausgehen, dass es nicht mehr darum geht, wer über welche Ressourcen und deren Verteilung verfügt. Sondern darum, mit welchen Inhalten, Strategien und Aktionen wir nach vorn gehen wollen. Die strukturellen Probleme sind ebenso zu klären. Dazu sind, sicher an vielen Stellen, schmerzhafte Entscheidungen zu treffen. Aber der Schwebezustand hilft uns nicht. Wir wissen, was wir aktuell und sicher planbar für die kommenden Jahre zur Verfügung haben und wir wissen, was an weiteren Ressourcen da ist, aber spätestens mit der nächsten Bundestagswahl schon in Frage stehen kann. Daraus gilt es jetzt, schnell und klar, eine landesweit funktionsfähige Struktur zu bauen. Diese Struktur muss leicht verständlich nach innen und außen sein, einladen mitzuwirken und Beteiligung möglichst vieler in der Partei an Entscheidungen ermöglichen.

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DIE LINKE. Sachsen zeigt: Wir haben verstanden! Die Wahlniederlagen 2019 müssen dazu führen, dass wir den Menschen in Sachsen ein unmissverständliches Signal senden. Ihre Entscheidung, uns nicht zu wählen, ist auch eine Kritik an uns, an unseren Inhalten, unserer unklaren Rolle im sächsischen Parteienspektrum und nicht zuletzt auch an unserem Personal auf allen Ebenen. In Zukunft werden die Wählerinnen und Wähler wieder genau wissen, für wen und was DIE LINKE. Sachsen eintritt! Dafür haken wir uns unter, für eine LINKE, die gesellschaftlich stark und geschlossen auftritt, die den gemeinsamen Kampf für ein besseres Leben, gegen Diskriminierung und eine andere Gesellschaft als Aufgabe versteht, die über alle Differenzen hinweg trägt. Ja, wir haben verstanden – und deshalb sagen wir ganz klar: Unsere Rolle ist die radikale Alternative zum Bestehenden! Grundlegende Veränderungen hin zu einem solidarischen Sachsen müssen jedoch stets hart erstritten werden. Am besten gemeinsam mit uns!

Wir stehen zusammen. Für eine starke LINKE als die soziale Kraft der Veränderung in Sachsen, in Deutschland und in Europa!