Susanne Schaper, Stefan Hartmann, Rico Gebhardt: In Corona-Zeiten müssen wir protestieren – gegen unfaire Lastenverteilung!
Zu den Protesten in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erklären die Vorsitzenden der Partei DIE LINKE. Sachsen, Susanne Schaper und Stefan Hartmann, sowie der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Rico Gebhardt:
„Es gibt allen Grund, zu protestieren! Es darf nicht sein, dass Großunternehmen Steuergeld einstreichen und ihre Aktionärinnen und Aktionäre gleichzeitig mit Dividenden beglücken. Es darf nicht sein, dass diejenigen weiter mit kargen Einkommen abgespeist werden, die in den Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderswo hart gegen das Virus kämpfen. Es darf nicht sein, dass wie üblich diejenigen die enormen Folgekosten der Krise zahlen, die nichts oder nur wenig haben, während sich die Vermögenden raushalten.
Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen, Alleinerziehende, arme Rentnerinnen und Rentner, Soloselbstständige, Menschen im Sozialleistungsbezug: Viele leiden täglich unter den Folgen der Krise. Bei ihnen und nicht nur bei Unternehmen muss Hilfe ankommen. Wir unterstützen alle, die für sozialen Ausgleich und eine gute öffentliche Infrastruktur streiten. Dazu gehört es, das Gesundheitswesen von marktwirtschaftlichen Zwängen zu erlösen, damit alle gut versorgt werden können. Das alles ist sehr wichtig und es gibt viel zu tun!
Deshalb wäre es falsch, denjenigen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, die aus der Krise politisches Kapital schlagen wollen. Derzeit nehmen auch bei uns Bürgerinnen und Bürger ihre Grundrechte wahr und versammeln sich, um die Meinung zu äußern, sie dürften sich nicht versammeln und ihre Meinung äußern. Selbsternannte ‚Experten‹, die in sozialen Netzwerken und auf Demo-Bühnen hanebüchene Gedankengebäude voller Hetze, Falschbehauptungen und Menschenverachtung errichten, haben wieder Zulauf. Auch wir fühlen uns als linke Opposition bei vielen aktuellen demokratischen Prozess ausgeschlossen. Wir wehren uns dagegen mit denen uns zur Verfügung stehend parlamentarischen und außerparlamentarischen Mitteln. Wir machen aber nicht den Fehler, uns insbesondere mit Personen oder Personengruppen, die Fake News verbreiten, antisemitische Positionen vertreten, Rassismus, Sexismus und klare Position der extremen Rechte einnehmen, auf eine Stufe zu stellen, geschweige mit ihnen zu demonstrieren.
Wir bitten darum, auch weiter besonnen zu handeln. Halten wir zusammen – gegen das Virus, aber auch gegen jene, die Gefahren verharmlosen und auf Hygieneregeln pfeifen. Solidarität ist gefragt, heute nicht weniger als vor zwei Monaten. Wenn wir wollen, dass weitere Lockerungen möglich werden und eine zweite, womöglich größere Infektionswelle ausbleibt, dürfen wir Falschinformationen nicht auf den Leim gehen.
Es ist legitim, sich mit allen Aspekten der Krise auseinanderzusetzen und Kritik zu äußern. Es ist legitim, Informationen kritisch zu hinterfragen. Aber auch hier ist Besonnenheit gefragt. Eine kritische Sicht beginnt nicht erst bei der Tagesschau, sondern in der eigenen WhatsApp-Nachrichtenliste. Und nicht jedes YouTube-Video ist ein Fachbeitrag in einem Wissenschaftsjournal. Behauptungen werden nicht allein dadurch wahr, dass jemand sie äußert. Wir wissen über das Virus einiges, vieles aber noch nicht. Es ist normal, dass die Wissenschaft darüber diskutiert und es auch dort zuweilen unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber der Blick in die Krankenhäuser und die Mehrheitsmeinung der Fachleute sagen uns, dass Corona für Menschen aller Altersgruppen und auch für Patientinnen und Patienten ohne Vorerkrankungen (lebens)gefährlich sein kann – obwohl es glücklicherweise viele leichte Verläufe gibt. Hinsichtlich nicht-tödlicher, aber möglicherweise dauerhafter Folgen einer Erkrankung und möglicher Schädigung anderer Organe wissen wir zudem bisher zu wenig.
Glücklicherweise ist die Pandemie in Sachsen bisher glimpflicher verlaufen als in anderen Ländern. Das ist kein Grund, die schmerzlichen Einschränkungen der letzten Wochen für unnötig zu erklären, denn ohne sie sähe es viel schlimmer aus. Wenn wir nun zu forsch lockern, riskieren wir, dass die Infektionszahlen wieder schneller steigen und unser Gesundheitssystem überlastet wird. Solange es keinen Impfstoff gibt, werden sich immer wieder Menschen anstecken und werden Menschen sterben, weil sie sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Die Frage ist, ob unsere Krankenhäuser weiter in der Lage sind, alle gut zu behandeln, bei denen die Erkrankung schwer verläuft. Können sie das nicht mehr, bedeutet das hohe Sterberaten und viele neue Opfer. Keine Familie und kein Freundeskreis wäre davor gefeit. Zunächst ging es darum, dass die Kurve abgeflacht wird. Jetzt geht es darum, dass sie flach bleibt.
Neben einer Debatte über Lockerungen muss endlich auch eine über die Lasten geführt werden. Wir setzen uns für einen Lastenausgleich ein, mit dem insbesondere die großen Vermögen zur Bewältigung der Krisenfolgen herangezogen werden sollen. Dieser Lastenausgleich soll einen Beitrag dazu leisten, die notwendige und zügige Finanzierung der staatlichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu finanzieren.
Die Lösung der gegenwärtigen Krise und ihrer Folgen braucht Abstand. Abstand im Sinne des Infektionsschutzes, Abstand von kruden Verschwörungsmythen und nicht zuletzt Abstand vom Gedanken eines kapitalistischen ‚Weiter so‘.“