Perspektive 2024 – Sozial gerecht für Sachsen
Beschlossener Leitantrag der 1. Tagung des 16. Landesparteitages
1. Nach der Bundestagswahl 2021
Das Ergebnis der Bundestagswahl 2021 mit 4,9 % der Wähler:innenstimmen reiht sich in einen Abwärtstrend ein, der seit 2009 auf allen politischen Ebenen feststellbar ist. Bei der Bundestagswahl 2009 hatten wir mit 11,9 % der Wähler:innenstimmen unser bisher bestes Ergebnis, 2013 erhielten wir 8,6 % und 2017 9,2 % der Stimmen. Bei den vorangegangenen Landtagswahlen 2019 in Sachsen haben wir mit 10,4 % im Vergleich zu den Wahlergebnissen von 2014 insgesamt 8,5 % verloren. So auch in Sachsen: 9,3% der Wählerinnen und Wähler sind das schlechteste landesweite Resultat, das unsere Partei hier erzielt hat. Nur in 8 Bundesländern ist DIE LINKE oberhalb des 5 %-Anteils bei den Zweitstimmen eingelaufen, nur in drei davon sind wir knapp zweistellig. Diese Ergebnisse sind für DIE LINKE als relevante gesellschaftliche Kraft existenzbedrohend. In unserem Kampf für ein Leben in Menschenwürde und um mehr Gerechtigkeit, also um ein Leben der Vielen in sozialer Sicherheit, in einer friedlichen Welt in der die Menschenrechte für jede und jeden auch praktisch gelten, mit guter und gut bezahlter Arbeit, gegen Ausbeutung, Behindertenfeindlichkeit, Diskriminierung und Unterdrückung in all ihren Spielarten und für einen sozial-ökologischen Umbau sind wir geschwächt. Daraus ziehen wir gemeinsam und in solidarischer Art und Weise die Konsequenzen – denn die erste und wichtigste Anforderung der Menschen, deren Interessen wir vertreten ist die, dass wir unsere Aufgabe, unseren Einsatz für eine andere, bessere Gesellschaft jenseits des Kapitalismus so ernst nehmen, wie sie ist. Die offensichtliche Vielfalt, mit der unsere Genossinnen und Genossen diesen Kampf bestreiten, ist dann eine Stärke, wenn gegenseitiger Respekt und Kooperation unser politisches Handeln prägen. Dem können wir nur gerecht werden, wenn wir alte Muster der innerparteilichen Kommunikation überwinden und jeder Genosse und jede Genossin auch selbst die entsprechenden Schlussfolgerungen zieht.
Die mit den Ergebnissen der Bundestagswahl verbundenen Herausforderungen werden wir nur als ganze Partei, in Kooperation von Bundespartei und Landesverbänden bewältigen können. DIE LINKE. Sachsen schlägt daher vor:
- Eine programmatische Selbstverständigung in gemeinsamer und solidarischer Debatte mit gesellschaftlichen Kräften zu beginnen, die wie wir für ein Leben in Menschenwürde kämpfen.
- Eine Parteireform zu beginnen, in der wir unseren offensichtlichen Schwächen begegnen, unsere strukturellen Probleme angehen, unsere gesellschaftliche Verankerung in Stadt und Land sichern und die Teilhabe der Mitglieder an der politischen Arbeit verbessern.
- Eine politische Kommunikationskultur zu entwickeln, in der wir Dissens gut aushalten und unsere Widersprüche als Stärke nutzen können.
2. Zielstellung
a) DIE LINKE. Sachsen ist die erste Adresse für eine Politik der sozialen Gerechtigkeit, des sozial-ökologischen Umbaus und des Friedens sowie der Inklusion in Sachsen. Wir stärken unsere Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, Sozialverbänden, mit lokalen, regionalen und überregionalen gesellschaftlichen Initiativen und Bewegungen. Für die Weiterentwicklung unserer politischen Konzepte gesellschaftlicher Veränderung auf allen Ebenen arbeiten wir eng mit diesen Partner:innen zusammen, nach Möglichkeit kooperieren wir in unserem öffentlichen Wirken. Auch in Vorbereitung der Wahlen auf kommunaler, Kreis- und Landesebene vertiefen wir diese Zusammenarbeit mit Blick auf unsere inhaltliche, methodische und personelle Aufstellung.
b) DIE LINKE. Sachsen stellt sich den Aufgaben im Bereich der Mitgliederentwicklung (die in den Kreisverbänden hinsichtlich der Zahl und der sozialen Struktur unserer Mitglieder verschieden verläuft) und den damit verbundenen organisationspolitischen Herausforderungen. Diese Aufgabe betrachten wir als von Landesebene, Kreis- und Ortsverbänden sowie den landesweiten Zusammenschlüssen gemeinsam zu lösen. DIE LINKE. Sachsen schafft aus der inhaltlichen Bestimmung ein Kampagnenkonzept, welches langfristig (mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl) die LINKE präsent hält und neue Wähler*innen anspricht. DIE LINKE. Sachsen knüpft an die Strukturdebatten der letzten Jahre an und bringt sie 2022 zum Abschluss. Dabei berücksichtigt sie sowohl die Ergebnisse der Mitgliederbefragung von 2020, die Ergebnisse der Regionalkonferenzen 2020 und die Diskussionen und Vorschläge des Finanzbeirates sowie der Sitzungen des Landesvorstandes mit den Kreisvorsitzenden und dem Landesrat.
c) Dazu gehört die zwingend notwendige Weiterentwicklung von Strategien zur stärkeren Einbeziehung von Frauen*, eine diskriminierungsfreie politische Praxis und mehr Angebote für Frauen*, innerhalb unserer Partei aktiv zu werden. Wir müssen dem gefährlichen Abwärtstrend der »Vermännlichung« des Landesverbandes aktiv entgegenwirken. Die Folgen sind verheerend und bereits auf nahezu allen Ebenen unseres politischen Alltages innerhalb des Landesverbandes spürbar. Dazu gehört ein gemeinsames Wirken hin zu mehr Gleichberechtigung und dem Verständnis von der Bedeutsamkeit gleichberechtigter politischer Teilhabe.
Weiter gehört dazu auch die notwendige inklusive Weiterentwicklung bzw. Veränderung unserer Strukturen barrierefreier für alle behinderte Mitglieder zu machen.
3. Aufgaben
a) Die Verankerung linker Politik vor Ort, also insbesondere in den gesellschaftlichen Strukturen der Städte und Gemeinden, ist die Grundlage unseres politischen Kampfes für gesellschaftliche Veränderung. Den Ausbau unserer Vertretungen in den Kommunalparlamenten mit den nächsten Kommunalwahlen sehen wir als einen zentralen Schwerpunkt der nächsten Jahre an.
Des Weiteren wollen wir uns am Aufbau von konkret wirksamen Strukturen zwischen der LINKEN und gewerkschaftlichen Kämpfen stärken. Da sich im Pflegesektor gerade eine starke Krankenhausbewegung formiert, die Kämpfe gewinnen kann, auch weil die Gesundheitspolitik durch die Pandemie wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt ist, kann die LINKE hier gewinnbringend anknüpfen. In den nächsten Monaten wollen wir landesweit am Aufbau von Bündnissen mit Beschäftigten in der Pflege und im Krankenhaus arbeiten. Neben den Interessen der Beschäftigten ist es unser Ziel, so unsere Aktivenstrukturen hinsichtlich einer konkreten Frage zu aktivieren, neue Mitglieder und Sympathisant:innen zu gewinnen, DIE LINKE als Teil der Arbeitskämpfe zu etablieren und öffentlichkeitswirksam das Thema Pflege & Gesundheit von Links zu besetzen. Angestrebt wird mindestens ein Modellprojekt in einer Großstadt, einer mittelgroßen Stadt und im ländlichen Raum. Wir orientieren uns auf einen landesweiten Aktionstag am Tag der Pflege 2022 als erstmaligen Höhepunkt der Kampagne.
DIE LINKE. Sachsen setzt in Vorbereitung der Landrät:innen- und Bürgermeister:innenwahlen 2022 sowie der Kommunalwahlen und der Landtagswahlen 2024 in Sachsen (sowie der Europawahlen) verstärkt auf die politische Kooperation mit lokalen und regionalen Partner:innen, mit Vereinen und Initiativen. Wir streben an, mit eigenen Kandidat:innen und Listen, mit offenen Listen und durch Unterstützung von Einzelkandidat:innen bzw. Sympathisant:innen in möglichst vielen kommunalen Gebietskörperschaften Sachsens zur Kommunalwahl 2024 anzutreten. Wir streben ein solidarisches Unterstützungsmodell zwischen Stadt und Land an, welches nicht nur die oben benannten Ziele stützt, sondern auch zwischen den Wahlkämpfen den Landesverband in den Kreisen sichtbar macht. In diesem Sinne führen wir in den Städten und Gemeinden mit unseren Genoss:innen, Sympathisant:innen und politischen Partner:innen bzw. politisch nahestehenden Personen und Institutionen Gespräche. Die Landrat:innen- und Bürgermeister:innenwahlen werden in Verantwortung der Kreis- und Ortsverbände mit Unterstützung der Landespartei in diesen Prozess eingebunden. Dabei müssen wir einen Generationswechsel nicht nur bei der Listenaufstellung hinbekommen, sondern bereits jetzt gründlich vorbereiten. Gleichwohl wollen wir in besonderem Maße weibliche Kandidatinnen dabei unterstützen, sich bei uns in ihren politischen Zielvorstellungen zu verwirklichen.
b) Wir nutzen diese Gespräche zur Weiterentwicklung unserer inhaltlichen Angebote, zur Verbesserung unseres öffentlichen Auftretens und in Vorbereitung der (voraussichtlich 2024 stattfindenden) Landtagswahlen.
Dabei muss die politische Ansprache in den ländlich-peripheren Gebieten anders erfolgen als in den urbanen Zentren, aber beide Ebenen bedingen sich und müssen miteinander gedacht werden.
Ein kurzes Beispiel: Es gibt in der LINKEN Konzepte zum entgeltfreien ÖPNV. Diese Konzeptionen sind vor allem auf die Bedürfnisse der großen Städte ausgerichtet. Aber betrachtet man sich den Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und der Fahrzeit in das nächste Oberzentrum/Infrastruktur-knotenpunkt im ländlichen Raum, hat die Fahrzeit einen höheren Einfluss auf die Wahl des Transport-mittels als die Kostenfrage. Beide Forderungen schließen sich nicht aus. Dementsprechend könnten in einer ersten Stufe die Fahrhäufigkeiten und die Verbindungen angepasst werden, das heißt, der Bus fährt häufiger und direkter in das nächste Oberzentrum, um die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen. In einer weiteren Stufe kann anknüpfend über den entgeltfreien ÖPNV debattiert werden.
Dementsprechend erarbeitet der Landesvorstand gemeinsam mit den entsprechenden Verantwortlichen für die Bürgermeister:innen- und Landrät:innenwahlen 2022 in Zusammenarbeit mit den Stadt- und Kreisvorsitzenden ein umfassendes Kommunikationskonzept mit Berücksichtigung der einzelnen Themenschwerpunkte vor Ort und unterstützt die Kandidat:innen für die Bürgermeister:innen- und Landrät:innenwahlen bei der UmsetzungDie partnerschaftliche Kooperation der Parteistrukturen mit unseren Abgeordneten und parteinah agierenden Institutionen auf allen Ebenen ist dafür die Voraussetzung. Wir fördern eine Vernetzung der Kommunalpolitiker:innen unseres Landesverbandes.
c) Der Landesvorstand erarbeitet in enger Zusammenarbeit mit der Fraktion der LINKEN im Sächsischen Landtag einen konzeptionellen Vorschlag, wie in den nächsten zwei Jahren eine politisch- öffentlichkeitswirksame Strategie definiert und umgesetzt werden kann.
Der Landesvorstand entwickelt bis März 2022 eine gemeinsame Strategie, um aufsuchende Formate, wie zum Beispiel Haustürgespräche/Haustürwahlkampf landesweit zu fördern und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Politik der Partei DIE LINKE einfließen zu lassen.
4. Drei Säulen der Aufgabenerfüllung
Erste Säule: Der Landesverband
Landesvorstand und Landesgeschäftsstelle gestalten die politischen Rahmenbedingungen der “Perspektive 2024”. Dazu gehören die Erarbeitung inhaltlicher Grundlagen (auf einem LPT oder einer landesweiten kommunalpolitischen Konferenz im zweiten Halbjahr 2022); die Erstellung eines Zeitplans; die Erarbeitung unterstützender organisatorischer Materialien; die Unterstützung durch eine mediale Strategie und die Erarbeitung einer wiedererkennbaren medialen Darstellung; die Verwaltung bzw. Sammlung der Ergebnisse und Informationen; die Unterstützung der Qualifikation der Kandidat:innen. Der Aktionsrat wird beauftragt, jährlich zwei größere landesweite Touren zu gestalten, die in Verbindung mit regional zu organisierenden Gesprächen den öffentlichen Auftritt unserer Partei unterstützen.
Zweite Säule: Die Kreisverbände
Das organisatorische Rückgrat der Kommunaloffensive bilden die Kreisvorstände. Auf Grundlage des Zeitplans des Landesverbandes planen und gestalten sie die Gespräche in den Gemeinden. Sie erarbeiten Vorschläge für die notwendige inhaltliche und organisatorische Unterstützung durch die Landesebene.
Dritte Säule: Politische Partnerorganisationen
DIE LINKE. Sachsen ist in zahlreichen kommunalen Gebietskörperschaften und im Landtag vertreten, Abgeordnete aus Sachsen sind im Bundestag und im Europaparlament aktiv. Mehrere parteinahe Bildungsträger:innen wirken in Sachsen. Darüber hinaus sind wir mit kommunalen Spitzenbeamt:innen in der Verwaltung von Städten und Gemeinden vertreten. Der Landesvorstand Sachsen bzw. die Kreisvorstände (für KTF, SRF, GRF) werden beauftragt, mit den genannten Gespräche dahingehend zu führen, dass diese für ihre eigene Aufgaben- und Zielstellung die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen können.
5. Organisationspolitische Aufgaben
Die insbesondere durch die Pandemie nur unzureichend stattgefundene Diskussion zwischen Landesebene, den Kreisverbänden und den landesweiten Zusammenschlüssen zu ggf. gemeinsam als notwendig erachteten Strukturveränderungen wird wieder aufgenommen und mit der Perspektive auf einen dementsprechenden Mitgliederentscheid nach §8 der Landessatzung 2023 zu Ende geführt.
Für die organisationspolitischen und strukturellen Aufgaben wird es im 1. Halbjahr 2022 einen Landesparteitag zur Diskussion der bisherigen Vorschläge und der Entwicklung des Mitgliederentscheides geben. Vorhergehende Abfragen zu den bisherigen Veränderungsvorschlägen in den jeweiligen Strukturen (Ortsverbände, Kreisverbände, Landesweite Zusammenschlüsse, etc.) sind ebenso vorzunehmen.