Das Bedingungslose Grundeinkommen verstehen wir als Menschenrecht
Ein Statement des BSprR. der BAG Grundeinkommen zum Mitgliederentscheid BGE
Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) soll die finanzielle Existenz und demokratische Teilhabe jedes Menschen in Würde sichern – sanktionsfrei und ohne Stigmatisierung. Es soll jene Leistungen finanziell ausgleichen, die von der Gemeinschaft noch nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Daran bemisst sich auch die Höhe des BGE.
Eine sanktionsfreie Mindestsicherung ist eine gute Idee. Das BGE geht jedoch einen Schritt weiter: es sichert den Grundbedarf aller Menschen als Selbstverständlichkeit und nicht als Almosen finanziell ab. Es macht der würdelosen Stigmatisierung ein Ende: der verdeckten Armut Bedürftiger, die die ihnen zustehenden Leistungen nicht einfordern, weil sie aus Unwissenheit oder Überforderung durchs Raster fallen. Schon deshalb sollten wir diesen einen Schritt weitergehen!
Ruft man Grundeinkommen in den Wald, kommt nicht zwangsläufig was Gutes aus dem Gehölz. Man geht ja auch nicht in die Gartenabteilung eines Baumarktes und fragt einfach nur nach einer Pflanze. Es kommt nämlich schon auf die konkrete Ausgestaltung und der damit verbundenen Motivation an. Da verhält es sich mit dem BGE nicht anders wie beim Mindestlohn: da fordert eine neoliberale FDP „marktgerechte Löhne“, während unsere 13 Euro je Arbeitsstunde schon eine gänzlich andere Qualität aufzeigen. Klar ist, wir lehnen auch bei Forderungen nach dem BGE neoliberale Ausgestaltungen strikt ab. Wir müssen uns zusammen mit den zivilgesellschaftlichen Bewegungen, Bündnissen und Vereinen für ein emanzipatorisches BGE stark machen. Halten wir die Frage offen, verlieren wir die Möglichkeit zu gestalten.
Die Bedarfe von Menschen können sehr unterschiedlich ausfallen. Deswegen brauchen wir auch weiterhin über das BGE hinaus Sozialversicherungen, um Menschen in schwierigen Lebenslagen, in Krankheit und Alter abzusichern. Neben allgemeinen, auf alle Menschen zutreffenden Bedarfe gibt es aber auch individuelle Bedarfe, wie sie längst nicht bei allen Menschen auftreten. Auch dort braucht es über das BGE hinaus Unterstützung.
Auch in anderen Parteien ist das BGE längst Thema. Wir sollten jetzt den Mut zeigen und ihnen zuvorkommen! Mit einer ausgesprochenen Zuwendung zum BGE bekäme DIE LINKE ein Alleinstellungsmerkmal und böte dem anwachsenden Teil der Wahlberechtigten, die einem BGE gegenüber offen sind, eine zukunftsweisende Lösung. Bereits jetzt genießt das BGE eine hohe Wertschätzung in der Gesellschaft. Wir sollten die Chance nutzen, das BGE im allgemeinen politischen Diskurs als ein LINKES Thema zu etablieren! Je eher wir eine klare emanzipatorische Definition von Grundeinkommen einbringen, desto schwieriger werden es unsere politischen Gegner haben.
Nicht minder wichtig ist es, das BGE in Europa voranzubringen. Mit einem BGE im Gepäck, das nicht neoliberalen Vorstellungen entspricht, würde der sozialpolitische Diskurs in Europa einen anderen Ton erhalten. Ein BGE in den einzelnen Mitgliedstaaten würde den Zusammenhalt der Europäer:innen stärken und sogar identitätsstiftend sein. Wir meinen, es ist eine lohnende Perspektive, auf europäischer Ebene solche Zeichen zu setzen! Auch wenn wir letzten Endes das BGE global betrachten und als Menschenrecht anerkannt wissen wollen.
Unser Konzept eines emanzipatorischen BGE zeigt, dass es geht. Das Rechenmodell bezieht sich, wie könnte es auch anders gehen, auf einen Status quo. So wird der reale Wert eines Grundeinkommens schon wegen der Inflationsentwicklung ein anderer sein als der ausgewiesene Buchwert. Und bis zur Einführung des BGE wird es darüber hinaus weitere Einwirkungen geben: so könnte sich die Einkommensstruktur grundlegend so ändern, dass weitere Finanzierungsquellen erschlossen werden müssten. Auch könnte sich der Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge sich so gestalten, dass der Rechenwert des BGE reduziert werden könnte. Wichtiger als die konkrete Ausformulierung des BGE bis hinein zum allerletzten Spiegelstrich ist es uns, das Wirksystem als solches zu verstehen und in ihrer Wirkung aufrechtzuerhalten. Es ist also keine Schwäche des Grundeinkommenssystems, wenn regelmäßig Neujustierungen vorgenommen werden müssen. Vielmehr ist es eine Stärke, dass bei Aufrechterhaltung seiner Wirkung fortan nur die ein und andere Stellschraube nachgezogen werden bräuchte. Und damit das BGE in seiner Wirkung nicht verwässert werden kann, darf es nicht den neoliberalen Kräften der Märkte oder sich wandelnder Regierungsinteressen ausgesetzt werden, wie es seit langer Zeit in der Rentenpolitik zu beobachten ist.
Beim Mitgliederentscheid im September wird es also nicht darum gehen, unser Konzept bis in die kleinste Verästelung zum Parteiprogramm zu machen – es geht um das skizzierte Wirksystem. Vielmehr wird der Parteivorstand beauftragt, dem Bundesparteitag eine Änderung des Parteiprogramms zur Einarbeitung eines linken bedingungslosen Grundeinkommenskonzeptes vorzuschlagen. Die Parteimitglieder können sich also auch über den Mitgliederentscheid hinaus beteiligen und den Gestaltungsprozess mit ihren Anträgen und Vorschlägen begleiten und beeinflussen.
Das BGE ist, wie der Name schon sagt, bedingungslos. Auch die Chefärztin und der Großaktionär bekommen Monat für Monat das BGE überwiesen. Fakt ist aber auch, dass sowohl die Chefärztin als auch der Großaktionär davon nicht profitieren. Einkommen und Vermögen sind in unserer Gesellschaft extrem ungleich und höchst ungerecht verteilt. Wir wollen nicht, dass eh schon überproportional Begünstigte vom BGE zusätzlich profitieren. Deshalb wollen wir zur Finanzierung vor allem diesen elitären Kreis unserer Gesellschaft heranziehen. Im Endeffekt werden die Chefärztin und der Großaktionär erheblich mehr in den BGE-Topf einzuzahlen haben als sie aus ihm heraus erhalten. Dieser sogenannte Netto-Effekt führt zu einer Umverteilung der Einkünfte und Vermögen. Unser BGE ist keine Gießkanne, sondern es ist ein ganz konkreter Weg, lang gesetzte Ziele linker Politik endlich auch zu erreichen! Somit ist unser BGE die Essenz linker Politik!
Unser BGE hat das Zeug, dem elendigen Niedriglohnsektor den Garaus zu bereiten. Auch viele für unsere Gemeinschaft wichtigen Tätigkeiten sind immer noch nicht anerkannt und werden wirtschaftlich entsprechend honoriert. Heute noch wenden private Haushalte mehr als ein Drittel mehr Zeit für unbezahlte Tätigkeiten als für klassische Erwerbsarbeiten auf: Haus‑, Erziehungs- und Pflegearbeit wird darüber hinaus meistens immer noch von den Frauen verrichtet. Menschen, die viele dieser unentgeltlichen Tätigkeiten verrichten, haben oft Einbußen bei ihrer Erwerbsarbeit. Ihre wirtschaftliche Situation ist oft wesentlich prekärer. Auch ihre Rentenerwartungen sind alles andere als erquicklich. Wir meinen gerade diese Tätigkeiten sind so elementar für unsere Gemeinschaft, dass wir ihnen nicht nur mit nur wortreichem Respekt, sondern auch mit wirtschaftlicher Sicherheit begegnen sollten. In Kombination mit dem von uns geforderten Mindestlohn stärkt unser BGE die Position von Lohnarbeitenden für eine bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung.
Wir stehen vor großen Herausforderungen. Das aktuell vorherrschende Wirtschaftssystem ist darauf ausgelegt, Mensch und Natur bis weit über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus auszubeuten. Dieser Weg führt uns in eine Sackgasse: Klimakatastrophen, Raubbau an den Ressourcen, Verteilungskämpfe, Flucht und Kriege werden unsere Zukunft immer eindringlicher bestimmen, wenn wir es nicht schaffen, uns den Logiken des Kapitalismus dauerhaft zu entziehen. Wir bedürfen einer Transformation in eine Gemeinwohlökonomie! Wir dürfen nicht länger den Gewinnen Weniger und den Interessen des Kapitals den Weg offenlassen, sondern müssen den Bedürfnissen aller Menschen und in Rücksicht auf unseren Planeten eine Bresche schlagen. Wir können diese Transformation aber nicht gestalten, wenn wir einen großen Teil unserer Gesellschaft nicht an diesem Prozess teilhaben lassen und sie sich als Verlierer der notwendigen Änderungen abschreiben. Viele von ihnen kämpfen täglich um ihre Existenz, fühlen sich im Abseits und wenden sich ab. Gerade die Emanzipierung der ökonomisch Benachteiligten ist überhaupt Grundlage für ein nachhaltiges Gelingen der erforderlichen Änderungen. Das BGE soll die Demokratie stärken, weil wir im Menschen nicht in erster Linie einen zu konsumierenden Marktfaktor sehen, sondern weil das BGE den Menschen das Fundament verschafft, von dem aus sie sich in die demokratisch verfasste Gesellschaft einbringen können. Nur so wird aus einer Gesellschaft eine Gemeinschaft!
Wir haben nicht den Anspruch, dass unser BGE alle Probleme aus der Welt schafft. Und das soll es auch nicht – es ist ja nicht das Ende der Politik. Wir brauchen auch über das BGE hinaus Instrumente, die Menschen als Individuen und als Gesellschaft in die Lage zu versetzen, notwendige Änderungen auch in der Zukunft voranbringen zu können. Das BGE ist aber ein Instrument, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Wir müssen eben schon heute die Frage beantworten, wie es übermorgen aussehen soll, bevor wir dann am Wochenende den Demokratischen Sozialismus ausrufen können. Doch dafür brauchen wir morgen das BGE!
Dennoch müssen wir uns bewusst sein, dass es noch weitere gesellschaftliche Veränderungen braucht, bevor unser BGE eingeführt werden kann und auch zur gewünschten Wirkung kommen kann. Wie bei allen anderen Innovationen wird es auch mit der Einführung des BGE Begleiterscheinungen geben, die mit weiteren Maßnahmen auszugleichen sein werden. Viele dieser Maßnahmen sind bereits jetzt Teile unserer Programmatik: fahrscheinloser ÖPNV, Umgestaltung der Sozialversicherungen in Bürger:innenversicherungen, höhere Mindestlöhne, eine armutsfeste gesetzliche Rente etc.. Letztendlich wird es auch ohne eine LINKE Friedens- und Sicherheitspolitik in Europa mit dem BGE auch nichts. Das BGE ergänzt unsere politische Programmatik und ist keineswegs ein Ersatz für das bisher Ausgearbeitete. Ganz im Gegenteil: wir brauchen jede einzelne Forderung über das sich in dem BGE Vereinigende hinaus weiterhin!
Wir wollen keine sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen ausklammern, sondern mit unserem emanzipatorischen bedingungslosen Grundeinkommen den entscheidenden Schritt weiter gehen. Wir sehen das BGE als eine sozialistische Utopie für das angebrochene 21.Jahrhundert, die wir gemeinsam mit einer anwachsenden gesellschaftlichen Bewegung Wirklichkeit werden lassen wollen.
Trauen wir uns! Stellen wir mit dem LINKEN BGE die Eigentumsfrage radikaler als je zuvor! Geben wir den Menschen die Würde, die man ihnen zwar versprochen, aber nie gewährt hat!