»Offener Brief« aus Schneeberg: Was ist dran, was nicht?

Diverse Medien berichten derzeit über einen offenen Brief des Bürgermeisters der Stadt Schneeberg. Der offene Brief wurde durch unter anderem durch alle Fraktionen des Stadtrats unterzeichnet. Wir versuchen hier darzustellen, worum es geht – und worum nicht.

Was in Schneeberg passiert ist: 

In Schneeberg hat der Bürgermeister (angetreten für eine freie Wählervereinigung) ein Schreiben erarbeitet. Der Text wurde den Fraktionen mit der Frage vorgelegt, ob sie diesen Text unterschreiben wollen würden. Aus der Fraktion DIE LINKE im Schneeberger Stadtrat wurden unsere zwei Fraktionsmitglieder seitens des Bürgermeisters angefragt, ob sie diesen Brief unterschreiben wollen. Beide Fraktionsmitglieder befanden sich gerade im Urlaub und haben einer Unterzeichnung zugestimmt, woraufhin die Fraktion durch den Bürgermeister als Unterzeichner aufgeführt worden ist. Auch alle anderen fünf Fraktionen des Stadtrates haben den Brief zugestimmt, was zur Folge hatte, dass alle unter dem Schreiben aufgetaucht sind. Darunter auch eine Partei der extremen Rechten. Der Brief wurde dann am 19. August durch den Bürgermeister als „offener Brief“ an verschiedene Medien versendet.

Was in Schneeberg nicht passiert ist:

Es kann allerdings nicht die Rede davon sein, dass unsere Fraktion gemeinsam mit anderen einen „Brandbrief geschrieben“ habe. Das ist bestenfalls ein sehr unsauberes Wording für den tatsächlichen Sachverhalt. Es fand keine Kooperation oder ein gemeinsames oder gar abgestimmtes Agieren mit der extremen Rechten statt, sondern unsere Fraktion hat die an sie gerichtete Anfrage zur Unterstützung des Schreibens durch den Bürgermeister gegenüber dem Bürgermeister mit „Ja“ beantwortet.

Bereits am Samstag-Abend haben wir als Landesverband festgehalten, dass wir es falsch finden, dass Parteien oder andere Organisationen der extremen Rechten als vermeintliche normale Akteure angefragt werden. Wir erwarten von unseren Genossinnen und Genossen vor Ort, dass sie dies dem Bürgermeister gegenüber deutlich machen und haben diese Erwartung unseren beiden Stadtratsmitgliedern bereits mitgeteilt.

Zum Inhalt des Schreibens

DIE LINKE. Sachsen hätte diesen Brief in bestehender Form unabhängig von anderen Unterzeichnerorganisationen als Landesverband nicht unterschrieben. Zwar finden sich im Schreiben durchaus korrekte und nachvollziehbare Positionen, aber auch solche, die wir so nicht formulieren würden und andere, die uns fehlen. So legt der Brief den Schwerpunkt unter anderem auf Embargos und Sanktionen – gleichwohl es kein Gasembargo seitens der EU oder Bundesrepublik gibt, sondern es eine politische Entscheidung der russischen Führung ist, weniger Gas zu liefern. Uns fehlt ferner der Verweis darauf, wie soziale Verwerfungen durch eine kluge Sozialpolitik  verhindert werden können. Vom Gaspreisdeckel oder der nötigen Übergewinnsteuer ist im Brief keine Rede.

Wir sind verwundert darüber, dass auch Parteien, die die Energiewende aktiv verschleppt haben oder sogar grundlegend ablehnen, das Schreiben unterschrieben haben, denn in ihm heißt es, dass die die Erfordernis einer Energiewende „unstrittig“ sei.

Grundsätzliches

Jede Zusammenarbeit oder Normalisierung der extremen Rechten lehnen wir ab. Es gab und gibt keine wie auch immer geartete „Querfront“ mit Rechtsaußen und wird es von uns auch nicht geben. Wer so etwas will, ist bei uns in der falschen Partei. Für uns ist auch im kommunalen Handeln immer klar, dass wir Vorlagen der extremen Rechten nicht zustimmen und schon gar keine mit diesen zusammen erarbeiten. Das betrifft unser Agieren. Gleichwohl war und ist es in allen Parlamenten so, dass wir das Agieren oder Abstimmungsverhalten Dritter nicht unmittelbar beeinflussen können.

Wir möchten außerdem davor warnen, Proteste gegen die unsoziale Politik der Ampel-Regierung, pauschal zu delegitimieren. Auch wenn uns bewusst ist, dass die politische Rechte wie bereits in allen ähnlich gelagerten Fällen versuchen wird, etwaige Proteste zu kapern, ist das kein Grund, auf Protest zu verzichten – im Gegenteil, es verstärkt die Erfordernis linken, demokratischen Protests geradezu. Als Partnerin in demokratischen Bündnissen oder als Einzelveranstalterin werden wir uns immer dafür einsetzen, dass Organisationen oder Personen der extremen Rechten keinen Fußbreit auf Kundgebungen oder Demonstrationen erhalten. Nicht zuletzt bleibt zu betonen, dass die politische Rechte ist und war, die sowohl die Energiewende sabotiert, sich von Konzernen und Lobbyisten finanzieren lässt und Raubbau an Sozialstaat und öffentlicher Infrastruktur betreibt. Die extreme Rechte in Deutschland lässt sich bekanntermaßen auch aus dem Kreml unterstützen – also von genau jenem Regime, das derzeit mittels gekürzter Lieferungen an der energiepolitischen Misere einen erheblichen Anteil hat, die die extreme Rechte vorgibt zu bekämpfen.