Diskriminierung von Cannabis Patienten durch die Cannabis Legalisierung
Das Landesinklusionsteam bekam durch ein neues Mitglied mit Behinderung nachfolgende Mail und damit einen sehr bereichernden, neuen Einblick ins Thema Cannabis Legalisierung, den das Landesinklusionsteam hier gerne zur Weiterleitung:
»Grundrechtseingriffe, Diskriminierung und Exklusion von Cannabis-Patienten durch die Legalisierung?! – § 24 MedCanG macht es möglich.
Liebe Genoss*innen und Freunde der Inklusion innerhalb wie außerhalb der Linken,
Die Linke hat die Cannabislegalisierung schon während des Gesetzgebungsverfahren und zum Teil sogar während des Entwurfstadiums des CanG scharf kritisiert: https://www.dielinkebt.de/themen/reden/detail/cannabis-kriminalisierung-schadet-der-gesundheit/
Wir als die Linke haben trotz unserer eigener Kritik größtenteils für die Legalisierung und das Inkrafttreten des CanG (KCanG und MedCanG) gestimmt, da wir ernsthaft glauben, dass das Gesetz trotz der vielen Schwachstellen eine Verbesserung für Konsument*innen darstellt.
Für den größten Teil der Bevölkerung stimmt unsere Einschätzung, doch haben auch wir die Auswirkungen des § 24 MedCanG völlig unterschätzt:
(Über dem Beitrag abgebildet ist die Stadt Leipzig, Stand 11.07.2024 – Quelle: Bubatzkarte.de und OpenStreetMap)
In all diesen rot markierten und sich überschneidenden Konsumverbotszonen steht seit 01.04.2024, dem Tag des Inkrafttretens des CanG (KCanG und MedCanG), auch die medizinische Einnahme von Cannabis durch Inhalation (§24 MedCanG) unter dem Konsumverbot des § 5 KCanG.
Wer ein Anfallsleiden hat und im Notfall/Anfall sein Medikament in einer der Konsumverbotszonen einnehmen muss, verstößt gegen das neu geschaffene Verbot. Die Legalisierung führt zur Kriminalisierung von Cannabispatienten.
Vor der Legalisierung war es an jedem öffentlichen Ort (z.B. Bürgersteig) für Cannabispatienten erlaubt, bei Einhaltung des gebotenen Anstandes und der tatsächlichen Notwendigkeit (z.B. Notfall) medizinische Cannabisblüten mit einem medizinischen Verdampfer einzunehmen, ohne einem Verbot zu unterliegen.
Die Legalisierung führt zur aktiven Exklusion von Cannabispatienten, welche es seit Dekaden bereits in Deutschland gab und immer noch gibt.
Man könnte denken, dass jeder eine Wahl hat, wo er sein Medikament einnimmt und sich doch “einfach” aus einer Verbotszone herausbewegen kann. Dies ist leider nicht der Fall. Wenn ein Schmerzpatient verhindern muss, dass er vom Schmerz bewusstlos wird, dann muss in diesem Fall die Einnahme unverzüglich an Ort und Stelle erfolgen.
Hat man also keine Kontrolle über seine Krankheit kann man sich an die neue Gesetzeslage nur durch die deutschlandweite Meidung aller Konsumverbotszonen halten.
Dies gestaltet sich sehr schwierig, denn Herr Lauterbach und die Ampel haben es versäumt, rechtlich verbindliche Karten zu veröffentlichen oder deren Erstellung zu beauftragen. Die oben abgebildete Karte (https://bubatzkarte.de) ist nicht rechtssicher und stellt die Zonen als 100 m‑Radien dar. Sie ist außerdem nicht vollständig (in der abgebildeten Karte fehlt beispielsweise die gesamte Fußgängerzone, welche in den Geschäftszeiten Konsumverbotszone ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 KCanG)).
Die Kartenerstellung dürfte sich auch als schwierig erweisen, da man es für klug hielt, dass die Strafbarkeit bzw. Verstoß gegen das Konsumverbot von der “Sichtweite” abhängig gemacht (vgl. § 5 Abs. 2 KCanG) wurde. Dies bedeutet das die Judikative, sowohl für neue, als auch für alte Fälle, den Verstoß gegen § 5 KCanG von Witterung (z.B. starker Nebel), Jahreszeiten (z.B. Hecke im Frühling im Vergleich zur Hecke im Herbst) und temporär bestehende Sichteinschränkungen (z.B. große Lkw-Planenanhänger) abhängig machen müssen. Dies bedeutet eine Klärung des “Ist-Zustandes” im Vergleich zum “Tatzeitpunkt”, denn dies kann sich in der Zwischenzeit geändert haben.
Wie dies mit dem Ziel der Ampel, der Reduktion des Verwaltungsaufwandes und Arbeitsaufwandes für die Judikative/Exekutive, einhergehen soll, ist leider nicht nachvollziehbar.
Überdies ist die enorme Tragweite dieser Konsumverbotszonen anzumerken. Betroffene Patienten haben ein »Betretungsverbot«, wenn Sie nicht riskieren wollen, einen Anfall/Notfall in einer der Zonen zu haben und dafür bestraft zu werden. § 24 MedCanG führt meiner Meinung nach zu weitreichenden Grundrechtseingriffen von Patienten. Von der Wahl des Arztes, wo man Einkaufen kann ohne Angst zu haben, ob man persönlich Wählen gehen kann (Wahllokal Schule), Essen gehen, Freizeitangebot, Betreten der Fußgängerzone (von jedem Laden bis hin zum Weihnachtsmarkt), Bankbesuche, Demonstrationen die die Zonen tangieren, Sporthallen (z.B. Reha-Sport) und Vieles mehr.
Die Linke kämpft für eine Kehrtwende in der Drogenpolitik, für eine progressive sozial gerechte Drogenpolitik. Dazu gehört, dass wir weiter Druck machen für Verbesserungen am CanG (KCanG und MedCanG), sowie für die Umsetzung der versprochenen zweiten Säule.
Wir setzen uns für die Rechte von Cannabis-Patienten und die Inklusion von diesen in unsere Gesellschaft ein. In diesem Zuge stellen wir die Forderungen:
- Abschaffung / Anpassung des § 24 MedCanG. Die Einnahme im Notfall darf nicht unter einem Verbot stehen.
- Unterscheidung und Differenzierung im Gesetz zwischen Patient und Konsument.
- Mehr Aufklärung der Bevölkerung über die Existenz von Cannabis-Patienten.
Verfassungsbeschwerde ist am 23.07.2024 am Bundesverfassungsgericht eingereicht worden. Mit einer Antwort ist nicht zeitnah zu rechnen. (Aktenzeichen: 1 BvR 1737/24).
Herzlichst Euer
Roman Quadflieg (Mitglied – Die Linke Sachsen / Mitglied – Anti-Ableistische Aktion)«
Kartenquelle im Bild: https: //bubatzkarte.de und OpenStreetmap