Marika Tändler-Walenta – 8 Thesen als Grundlage für die Erarbeitung eines Entwicklung- und Gestaltungskonzepts der Partei DIE LINKE Sachsen

Mit den Ergebnissen der Kommunal- und Europawahlen und dem Ergebnis der Landtagswahl stehen wir als Linke Sachsen vor neuen Herausforderungen, die von uns allen ein Umdenken verlangen. Dieses Thesenpapier wurde mit dem Auftrag erstellt, einen kritischen Rückblick aber auch einen hoffnungsvollen Ausblick für den weiteren Weg unserer Partei zu wagen. Getragen von einer breiten AutorInnenschaft sind es gemeinschaftliche Thesen, es sind Gedanken, es sind Vorschläge, die zur Debatte einladen sollen und keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben:

  1. Wenn schwierige Situationen unlösbar erschienen, war es stets eine Stärke der Linken, allen Widerständen und Anfeindungen zu trotzen und gemeinsam einen Lösungsweg zu finden.
  2. Ein erster Schritt sollte die Analyse der strukturellen Gegebenheiten sein, verbunden mit einer politischen Strategie, aufgrund der wir gemeinsam notwendige Entscheidungen treffen können, die uns insbesondere aus sächsischer Perspektive kurzfristig auf die Bundestagswahl und langfristig auf die nächsten Kommunal‑, Europa- und Landtagswahlen 2029 vorbereiten. 
  3. Kommunalwahlen sind das Fundament: Wenn wir langfristig im bundesdeutschen Parteiensystem verankert bleiben wollen, dürfen wir die Regionen außerhalb der Großstädte nicht vernachlässigen. Grundsätzlich brauchen wir eine Verankerung in den (Groß-)Stadt- und Gemeinderäten, daher wollen wir genau dort wieder stark werden. Wir wollen uns unsere Mandate, die wir 2024 in vielen Gemeinderäten verloren haben, 2029 zurückholen!
  4. Wir müssen im EINKLANG sein zwischen Praxis und Theorie, politischen Ebenen und Verantwortlichkeiten: 
    1. Regelmäßiger Austausch und klare Absprachen mit der Landtagsfraktion, dem Bundesvorstand und den Kreisverbänden, dem Jugendverband, der SeniorInnenkonferenz, dem Landesrat und den landesweiten Zusammenschlüssen, um die politische Strategie kontinuierlich weiterzuentwickeln und in die Wahlkämpfe sowie Programmdebatten einfließen zu lassen.
    2. Regelmäßig ein intensiver Austausch der GenossInnen auch über Kreisgrenzen hinweg zu bestimmten Themen durch die Nutzung digitaler Programme (Zetkin, Zoom usw.) oder die Bereitstellung von Online-Themenräumen. 
    3. Umstrukturierung des Organisationsprinzips: Durch die Einberufung der AG Strategie und AG Struktur können verschiedene Modellvorschläge in einem demokratischen Prozess erarbeitet und abgesprochen werden: Regionalprinzip (Überführung von Ortsgruppen in Regionalgruppen), Bezirksprinzip, Altkreisprinzip, usw.
    4. (Neu-)Mitglieder aktivieren – (Neu-)Mitgliederarbeit im Landesverband strukturieren und koordinieren, überregionale Mitmachangebote entwickeln oder vermitteln, durch z. B. Telefonaktionen oder die Gesprächsoffensive Plan 25 und darüber hinaus: Schulungsangebote sowie Rückkopplung und Austausch der Erfahrungen aus den Gesprächen und Gesprächsleitfäden, die an die Möglichkeiten vor Ort angepasst sind, entwickeln. Ebenso regelmäßig politische Bildungsangebote anzubieten und eine solidarische Unterstützung der Kreisverbände koordinieren und strukturieren (Materialschlacht-Team).
    5. Weiterhin die Unterstützung betrieblicher Kämpfe (mit-)organisieren und die Kommunikation mit Gewerkschaften, Betriebsräten und Beschäftigten herstellen und halten. Darüber hinaus weitere politische Akteure und außerparlamentarische Kräfte einbeziehen, um deren unterschiedliche Erfahrungen und Ideen für die sozialen Kämpfe in den Städten und auf dem Land innerhalb einer politischen Alternative zu bündeln.
    6. Die Linksjugend Sachsen hat in einer eigenen Kampagne unter dem Motto „konsequent menschlich“ maßgeblich zum Landtagswahlkampf beigetragen. Der Jugendverband, junge Parteimitglieder und SympathisantInnen können und wollen sich in die Partei einbringen und uns voranbringen. Auch im anstehenden Bundestagswahlkampf plant der Jugendverband, die Partei zu unterstützen. Der Jugendverband wünscht sich dazu Offenheit für junge Ideen, Vertrauen und vor allem Wertschätzung für die geleistete Arbeit.
    7. Linke hilft! – Derzeit herrscht allerorts Unsicherheit, denn die explodierenden Preise bringen existenzielle Sorgen mit sich. Viele Menschen haben Rechtsansprüche auf staatliche Hilfen ohne etwas davon zu wissen. Das wollen wir ändern, indem wir darüber aufklären. Aber nicht nur das. Wir möchten Menschen bei verschiedensten Problematiken unterstützen und sie mit ihrem Anliegen nicht allein lassen.

Zwischen diesen Arbeitsfeldern ergeben sich immer wieder Schnittmengen und Synergien, die im Landesvorstand gemeinschaftlich zusammengetragen werden können, um sie zu koordinieren und mit Beschlüssen zu unterstützen.

  1. Haltung zeigen! - Menschenrechte gelten für alle, nicht nur für Deutsche. Migrationspolitik ist der Kristallisationspunkt, an dem sich demokratische und antidemokratische Milieus voneinander abgrenzen. Gegenwärtig erleben wir eine Kombination sozialpolitischer Themen mit Einwanderungsfragen, auch ökonomische Konflikte werden z. T. kulturalisiert und von allen Parteien außer uns widerspruchsfrei übernommen. Doch es ist eine Frage der öffentlichen Daseinsvorsorge, von Verantwortung und schlicht und ergreifend von Verteilungsentscheidungen. Wir stellen uns gegen die Verkehrung von Ursache und Wirkung. Nicht Migration, sondern eine politisch geschaffene soziale Ungleichheit in Bereichen wie Wohnen, Schule sowie einer chronischen Unterfinanzierung der Kommunen ist Ursache sozialer Konflikte. Eine solidarische Migrationspolitik setzt aber Ressourcen in den Kommunen voraus.
  2. Zukunftsparteien brauchen einen anderen Politikstil — weitere Öffnung der Partei: Neben außerparlamentarischen Verbündeten wie Gewerkschaften und Verbände müssen wir uns gegenüber den Menschen öffnen und Möglichkeiten schaffen, auch ohne Parteimitgliedschaft bei uns aktiv werden zu können, sei es in Form von offenen Listen, Arbeits- oder regionalen Projektgruppen — alles im Sinne einer Selbstermächtigungspartei. Es geht um eine Kommunikation, die die Handlungsfähigkeit der sächsischen Bürgergesellschaft schult und nutzt. Als ModeratorInnen des politischen Wandels, die gemeinsam mit den Menschen Lösungen findet und so Hoffnung für eine bessere Zukunft bietet.
  3. Weiterentwicklung der politischen Agenda der sozialen Gerechtigkeit: Mehr sozialer Zusammenhalt in den wachsenden Städten und schrumpfenden Regionen, mehr Sicherheit in einer Welt der Vielfalt und der Veränderung, mehr Dialog zwischen den Lebenswirklichkeiten der unterschiedlichen Regionen und Generationen mit einer politischen Kultur, die einen wertschätzungsbasierten Umgang pflegt und eine differenzierte Debattenkultur ermöglicht. Neue Problemlagen aufgreifen, bislang nicht thematisierte Problemlösungen benennen, Zukunftsfragen stellen mit dem Ziel, ein solidarisches Gegenmodell zu entwickeln!
  4. 34 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur BRD vollzieht sich eine Zäsur in der deutschen Politik. Der Nachkriegskonsens der großen gesellschaftlichen Strömungen ist vorbei. Die Tabus sind gebrochen einmal und für immer, denn es herrscht Krieg in Europa. Die bis heute ungerechten Bedingungen der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und West(-europa), Nord und Süd(-europa) aber auch Stadt und Land führen zu einer Politikverdrossenheit, zu einem mangelnden Vertrauen in alle politischen Akteure, was sich wiederum in reaktionären Denk- und Deutungsmustern verfestigt. Während alle anderen Parteien diese Diskursverschiebung tragen, bleibt DIE LINKE als einzige Partei stabil. Denn wir werden gebraucht! Weil 34 Jahre tödlicher Rassismus und Menschenfeindlichkeit in Sachsen mit weit über hundert Opfern rassistischer Gewalt, das Wiedererstarkten des Antisemitismus, von Hetzjagden durch sächsische Groß- und Kleinstädte, durch Demonstrationszüge vor Flüchtlingsunterkünften, durch Angriffe auf CSDs von uns nicht widerstandslos hingenommen werden. Ja, wir werden gebraucht!