Dow-Rückzug wäre ein harter Schlag

Stefan Hartmann, Janina Böttger, Sören Pellmann: Dow-Rückzug wäre ein harter Schlag – Die Linke ist solidarisch und fordert industriepolitischen Kurswechsel, auch mit öffentlichen Investitionen

Der US-Konzern Dow will möglicherweise zentrale Anlagen im mitteldeutschen Chemiedreieck stilllegen. Betroffen wären Böhlen in Sachsen und Schkopau in Sachsen-Anhalt. Dadurch sind hunderte Industriejobs in Gefahr, die Zukunft der Standorte wäre fraglich. Dow begründet die Maßnahme mit wirtschaftlichem Druck und strukturellen Standortnachteilen: Die Nachfrage sei schwach, Energie- und Rohstoffkosten seien hoch. Allerdings hat Dow erst in diesem Monat eine Dividende von 2,46 Euro pro Aktie ausgeschüttet, was einer Dividendenrendite von fast zehn Prozent entspricht.

Der Vorsitzende von Die Linke Sachsen, Stefan Hartmann, erklärt:

„Die Ankündigung von Dow kommt zur Unzeit. Wir wollen verhindern, dass Ostdeutschlands deindustrialisiert wird. Ein Rückzug von Dow wäre nicht nur für Arbeitsplätze und die regionale Unternehmensstruktur fatal, sondern hätte demokratiegefährdende Folgen. Die Abschaltung des Crackers in Böhlen hätte erhebliche Auswirkungen auf ganze Produktionsketten und die gesamte Region.

Die Landesregierungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt müssen schnell reagieren und Druck auf den Konzern sowie die Bundesregierung aufbauen. Ohne industriepolitische Strategie und planbare Energiekosten werden Konzerne immer wieder Argumente finden, um Jobs zu vernichten. Oft genug sind Managementversagen und Aktionärsinteressen die eigentlichen Krisenursachen. Wie VW hat auch Dow hohe Dividenden gezahlt anstatt mit diesem Geld Arbeitsplätze zu erhalten.

Das mitteldeutsche Revier muss Energieregion bleiben, sonst fällt immer mehr industrielle Produktion weg. Energie wird aber nur bezahlbar sein, wenn wir erneuerbare Quellen konsequent nutzen. Das erfordert massive Investitionen, die auch durch Kreditaufnahme der Länder abzusichern sind. Die Grundgesetzänderung schafft dafür Spielraum. Als Übergangslösung fordert Die Linke schon lange einen Industriestrompreis.“

Janina Böttger, Vorsitzende der Linken in Sachsen-Anhalt, fügt hinzu:

„Wir stehen solidarisch an der Seite der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft IG BCE. Proteste und Widerstand gegen die Pläne von Dow sind richtig. Nötig ist der Schulterschluss von Beschäftigten, Politik und Zivilgesellschaft. Nur mit einer starken gewerkschaftlichen Stimme können solche Standortentscheidungen sozial abgefedert oder sogar verhindert werden.

Die neue Bundesregierung muss umgehend handeln. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Chemieagenda 2045 kommt viel zu spät, wenn schon heute zentrale Standorte wegbrechen. Wer künftig das Wirtschaftsressort führt, muss die Zukunft der Chemiebranche – insbesondere im Osten – zur Chefsache machen. Wir werden das Thema im Bundestag und in den Landtagen auf die Tagesordnung setzen: Die Chemieindustrie braucht eine tragfähige, langfristige industriepolitische Strategie. Strukturwandel darf kein Synonym für industrielle Wüste werden. Das mitteldeutsche Revier braucht Planungssicherheit, günstige Energie und staatliche Investitionen – nicht einen kalten Rückzug multinationaler Konzerne.“

Sören Pellmann, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, erklärt abschließend:

„Dow ist ein weiteres Beispiel dafür, wie internationale Konzerne sich aus der Verantwortung stehlen und ganze Regionen im Stich lassen.​ Umso dringlicher müssen wir eigenständige industrielle Kompetenzzentren aufbauen, so weit das möglich ist. Die Bundesregierung darf den Osten nicht fallen lassen! Nötig ist ein Transformationsfonds, der den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft voranbringt. Diese Investitionen würden regionale Wertschöpfung stärken, die Abhängigkeit von Konzernzentralen reduzieren und unser Land in Richtung Klimaneutralität voranbringen.

Die Linke unterstützt die Forderungen nach Standortsicherung, Mitbestimmung und einer aktiven Industriepolitik im Sinne der Beschäftigten. Schließungen wären die Folge der verfehlten Energie- und Industriepolitik der Bundesregierung: Schon im November 2023 hat Die Linke im Bundestag gefordert, Strom für die Industrie bezahlbar zu machen und mit öffentlichem Geld in grüne Grundstoffe und Chemie-Infrastruktur zu investieren. Unternehmen, die öffentliche Hilfen nutzen, müssten hierzulande Jobs sichern.“

Hintergrund

Dow beschäftigt in Mitteldeutschland rund 1.500 Menschen. Bis zu 500 Arbeitsplätze sind akut gefährdet. Die geplanten Stilllegungen betreffen Schlüsselanlagen. In Böhlen betreibt Dow einen „Steam-Cracker“, in dem aus Rohbenzin chemische Grundstoffe wie Ethylen und Propylen entstehen. Diese werden zu Kunststoffen weiterverarbeitet. Die Anlage gilt als das Herzstück der Produktion an den mitteldeutschen Standorten. Die Werke in Schkopau und Böhlen sind durch ein Pipelinenetz verbunden und bilden mit Leuna und Teutschenthal einen Produktionsverbund.